Zurich Pride

Mitte Juni ist es wieder soweit: Zürich feiert die Pride! DISPLAY verrät dir, was dich erwartet.

«Lass uns darüber reden». Das ist das Motto der diesjährigen Zurich Pride. Und so tun wir dies auch. Reden wir darüber, was hinter diesem Motto genau steckt. Darüber, was die Programm-Highlights sind und was dieses Jahr anders sein soll. Aber auch darüber, ob es eine Pride in Zürich und in der Schweiz überhaupt noch braucht. Ein Interview mit Jill Nussbaumer, der neuen Co-Präsidentin der Zurich Pride.


Jill Nussbaumer

ist Co-Präsidentin bei der Zurich Pride und in dieser ehrenamtlichen Rolle verantwortlich für die strategische Ausrichtung und die Koordination zwischen den Ressorts. Sie ist auch bei der Organisation der Redner:innen bei der Zurich Pride involviert. Jill sitzt für die FDP im Zuger Kantons­rat und wohnt
mit ihrer Lebenspartnerinund zwei Katern in Cham im Kanton Zug.


DISPLAY: Jill, warum arbeitest du für die Zurich Pride?

Jill Nussbaumer: Da ich selber lesbisch bin, möchte ich politisch etwas in der Community bewirken und bewegen. Die Zurich Pride ist eine der grössten Queer-Veranstaltungen in der Schweiz, die ich spannend finde und für die ich mich gern engagiere.

Das Motto der Zurich Pride 2023 lautet «Lass uns darüber reden». Wie kam es dazu?

Wir haben uns mit verschiedenen Verbänden ausgetauscht, um zu eruieren, welches die aktuellen Anliegen in der Community sind. Die Mottos der letzten Pride-Veranstaltungen waren politisch und nach aussen gerichtet, etwa mit «Ehe für alle – jetzt» oder «Bekenne → Farbe gegen Hass». Danach haben wir entschieden, dass es dieses Jahr ein eher nach innen gerichtetes Motto geben soll, bei dem es um Zusammenhalt und Verständnis innerhalb der Community geht. 

Was ist damit genau gemeint?

In der Community gibt es unterschiedliche Ansichten und Realitäten, etwa zwischen den Altersgruppen oder zwischen Menschen im urbanen und ländlichen Bereich. Zudem haben wir festgestellt, dass es Minderheiten in der Community gibt, die kaum sichtbar sind, etwa Asexuelle. Es ist wichtig, innerhalb der Community miteinander zu reden und Verständnis füreinander zu zeigen. Durch diesen Austausch können wir einander besser verstehen. 

Soll die diesjährige Pride anders werden als in den letzten Jahren oder bleibt alles gleich?

Vieles bleibt gleich, wie etwa das Festival auf dem Kasernenareal. Auch die Demo-
Route wird ähnlich sein. Aber wir haben auch Verbesserungen geplant.

Und zwar?

Wir haben uns vorgenommen, noch inklusiver zu werden. Wir möchten es bedürftigen Menschen noch leichter ermöglichen, zur Pride zu kommen. Vor allem Geflüchtete unterstützen wir finanziell, damit sie nach Zürich reisen und an der Pride etwas konsumieren können. Diese Unterstützung haben wir nun auch auf Sozialhilfe- und AHV-Empfänger*innen ausgeweitet. Neu wird das Regenbogenhaus in der Zollstrasse als Rückzugsort für Menschen fungieren. Es steht den Pride-Besuchenden am Samstag von 12 bis 14 Uhr als Styling-Raum zur Verfügung. Von 14 bis 19 Uhr bietet es eine Oase der Ruhe für alle, die sich entspannen wollen und eine Pause vom Pride-Trubel brauchen.

Wie siehst du es, wenn Unternehmen an der Pride auftreten? Ist das nicht Pinkwashing?

Pinkwashing kann ein Thema sein, aber wir setzen uns dafür ein, dass dies nicht passiert. Um mit einem Wagen an der Demonstration mitzumachen, muss man sich bei uns bewerben. Wir prüfen die Bewerbung und sehen uns an, ob sich die Organisationen wirklich für Queers einsetzen. Für unsere Sponsoren und bei den Ständen im Festivalgelände gibt es noch strengere Kriterien – diese müssen das LGBTI-Label besitzen. Wir achten ausserdem darauf, dass das Engagement wirklich von den Aktivist*innen selber kommt und nicht einfach von der Chefetage bestimmt wird.

Wie beurteilst du die aktuelle Situation für die Community in der Schweiz?

Wir haben vieles erreicht, und ich sehe die Ehe für alle oder den vereinfachten Geschlechtseintrag als Meilensteine. Aber wir wollen den Weg in Richtung vollständige Gleichberechtigung noch weitergehen. Die Fortpflanzungsmedizin ist für Queers aktuell nicht so einfach zugänglich wie für Heteros. Es ist zudem für Mitglieder unserer Community schwieriger, die Elternschaft zu erlangen. Im Bereich drittes Geschlecht und Intersex gibt es in der Gesellschaft und in der Politik noch einiges zu tun. Auch der Diskriminierungsschutz von Trans-Menschen ist nicht ausreichend.

Wie setzt du dich als Politikerin für die Community ein?

Kürzlich gab es im Zuger Kantonsrat einen Vorstoss, um das Gesetz zum Diskriminierungsschutz im Kanton bei Einrichtungen wie der Polizei und in der Bildungspolitik umzusetzen. Dafür habe ich mich engagiert, um auch auf der bürgerlichen Seite eine Mehrheit zu finden. Ausserdem arbeite ich regelmässig bei der Ausarbeitung von Positionspapieren mit Queer-Anliegen mit und ich bin in der FDP im Vorstand der LGBTI-Fachgruppe Radigal, die sich für die individuelle Selbstentfaltung von Queers auf Basis liberaler Grundwerte einsetzt. Zudem organisiere ich in Zug monatlich queere Treffs mit dem Verein «Queer Zug».

  

Habt ihr für die diesjährige Pride ein konkretes Ziel?

Es geht uns weniger um eine bestimmte Zahl an Besuchenden. Viel wichtiger ist, dass eine gute Stimmung herrscht und alles ohne Zwischenfälle abläuft.

In der Schweiz wurde für die Community schon viel erreicht. Glaubst du, dass es Pride-Veranstaltungen in Zukunft weiterhin geben soll?

Ich hoffe und glaube, dass es in Zukunft noch Pride-Veranstaltungen geben wird. Denn es wird immer wieder gute Gründe geben, um mehr Sichtbarkeit für die Community zu schaffen und es ist wichtig, dass wir keine Rückschritte machen. 

Es ist aber genauso wichtig, dass die Community die Chance hat, einfach mal zu geniessen, zu feiern und sich auszutauschen. Ich sehe die Zurich Pride und die damit zusammenhängenden Veranstaltungen als eine ideale Plattform, um sich zu treffen und einfach sich selbst zu sein.