Zu queer für Peking!

Die androgynen K-Pop-Boys erobern die Welt. Chinas Führung sieht das gar nicht gern und kämpft gegen die «verweichlichten» Männer. Dabei sind verliebte Jungs in Asien schon lange sehr populär.

Mangas und Boys Love
In der asiatischen Kultur gehören schwule Liebesgeschichten schon seit Jahren zu einem wichtigen Teil der Unterhaltungskultur. Sogenannte Boys Love-Mangas haben eine jahrzehntelange Tradition in Japan. Sie erzählen Liebesgeschichten zwischen Männern inklusive viel Herzschmerz, Romantik und expliziten Sexszenen. Überraschend ist, dass ein Grossteil der Leserschaft und Hardcore-Fans weiblich ist. Sie schwärmen regelrecht für ihre Lieblingsfiguren. Auch im deutschsprachigen Raum werden Boys Love-Geschichten übersetzt und für Anime-Fans gibt es ebenfalls eine grosse Auswahl der Zeichentrick-Erotikliebesgeschichten. Es grenzt an Fetischisierung, befeuert wohl erotische Phantasien und gleichzeitig zeigt es, dass grundsätzlich eine grosse Offenheit gegenüber dem Thema existiert.

K-Pop und Boygroups
Aus Südkorea kommt zudem ein Trend, der in den letzten Jahren auch den Rest der Welt erreicht hat. K-Pop ist bekannt für auffällige Fashiontrends, ständig wechselnde Haarfarben und süsse Boygroups, die die Herzen von Jungs und Mädchen weltweit höher schlagen lassen. Die wohl bekannteste dieser Boygroups ist BTS. Die sieben koreanischen Jungs singen, tanzen und begeistern Fans mit ihrer sympathischen Art. Ihr Auftreten verändert sich dabei ständig. Androgyn, in Pastellfarben und mit Make-Up präsentieren sie sich in Videos, auf der Bühne und dem roten Teppich. Ihre Sexualität oder Beziehungen werden dabei nie öffentlich angesprochen. Die Industrie verbietet es, die Fans sollen nicht erschreckt und möglichst viele Menschen angesprochen werden. Das funktioniert nur, wenn die Idole für alle zumindest theoretisch erreichbar bleiben. Trotzdem sorgen sie in klassischen Medien für Diskussionen, werden teilweise als «nur halbe Männer» bezeichnet und definieren ein neues Männerbild, das sich nach und nach auch in unserer Gesellschaft widerspiegelt. Wenn ich in einen Club gehe, weiss ich teilweise gar nicht mehr recht, wer jetzt bloss einen androgynen Style hat oder tatsächlich auf Männer steht. Das ist eine durchaus positive Entwicklung. Weg von Geschlechternormen hin zu einer Welt, in der wir uns so kleiden dürfen, wie wir wollen.

Chinas Angst vor androgynen Männern
Jedoch sieht nicht jeder diese Entwicklung gern. Chinas Regierung sieht ein Problem im «femi-
ninen» Kleidungsstil und hat angefangen, K-Pop-Gruppen zu verbannen. Männer sollen sich gefälligst wie Männer anziehen, meinen die alten Männer rund um Chinas Machthaber Xi Jingping. K-Pop stelle eine Gefahr dar. Er könne Jugendliche verwirren und auf falsche Ideen bringen. Das Männerbild, das daraus entsteht, soll sich nicht verbreiten, und so verbannt die Regierung androgyn wirkende Männer aus dem Fernsehen als «abnormale Ästhetik». Auch das Verbot der Werbung für Schönheitsoperationen gehört zu dieser «Männlichkeits-Kampagne». Auch von Boys Love ist die chinesische Regierung nicht angetan. In Online-Games soll die sexuelle Interaktion zwischen zwei Männern verboten werden. Die Bevölkerung ist davon nicht begeistert. Denn Boys Love-Produktionen sind in China sehr gefragt und das, obwohl homo­sexuelle Beziehungen in China eigentlich nicht gezeigt werden dürften. Offiziell ist Homo-
sexualität zwar seit 1997 legal im Land der Mitte, gleichzeitig versucht die Regierung mit allen Mitteln, der LGBTQ+ Community zu schaden. Im Sommer dieses Jahres wurde unter anderem auch bekannt, dass queere Chatgruppen und Onlinetreffpunkte gelöscht und gesperrt wurden. 

Westliche Diskussionen zur Maskulinität
Auch in der westlichen Welt wird regelmässig über Männlichkeit diskutiert. Der LGBTQ+ Aktivist Matt Bernstein hat auf Instagram (@mattxiv) erneut für eine ausartende Diskussion gesorgt. Sein Statement «Die Antwort auf toxische Maskulinität ist nicht keine Männlichkeit. Es ist eine gesunde Beziehung zur Männlichkeit und was dies alles bedeuten könnte». Stars wie Lil Nas X, Billy Porter oder auch Harry Styles werden durch ihr androgynes Auftreten auch zum Mittelpunkt des öffentlichen Diskurses. Selbst unter Gays scheint die Diskussion zu existieren. Männer, die explizit in ihre Datingprofile schreiben, dass feminine Männer sich nicht melden sollen, sorgen für Empörung. Sind das bloss Präferenzen, oder ist es schon Diskriminierung von Männern, die nicht in die Geschlechternorm passen?