Ohne Federboa in den Nationalrat

Patrick Hässig ist Kantonsrat, Moderator und Pflegefachmann. Nun will der 44-Jährige Nationalrat werden. In Bern möchte sich der GLP-Politiker vor allem für den Pflegeberuf stark machen. Im DISPLAY-Portrait erzählt Hässig gut gelaunt, weshalb er kein queerer Vorreiter ist, aber vor 18 Jahren trotzdem «den absolut richtigen Mann» getroffen hat.

Text Mark Baer | Bilder Remo Nägeli

Wenn man ihn sieht, würde man ihn höchstens 34 Jahre alt schätzen. In Tat und Wahrheit hat der Zürcher aber zehn Jahre mehr auf dem Buckel. Aufgewachsen ist Patrick Hässig in Zürich Oerlikon. Heute lebt erzusammen mit seinem Mann immer noch im Kreis 11, aber in Zürich Seebach.

Als er sieben Jahre alt war, liessen sich seine Eltern scheiden, was Patrick stark geprägt hat. Er konnte bei seinem Papi immer vorbeigehen, lebte ab dann aber zusammen mit seiner jüngeren Schwester bei der Mutter und dies in einer typischen Oerliker Genossenschaftswohnung. Schnell übernahm er die Assistenz seines Mamis und unterstützte sie und seine kleine Schwester fortan im Haushalt. «Das war ein wichtiger Punkt in meinem Leben.»

Bei der Betreuung der beiden Kinder haben auch die Gross-eltern eine wichtige Rolle gespielt, erzählt der GLP-Kantonsrat. «Familienstruktur war mir immer wichtig.» Seine Eltern hätten das mit der Trennung super gemacht. Er habe nur zweimal mitbekommen, dass es zwischen ihnen nicht mehr passte. «Ich finde das wichtig, weil Kinder ja nichts dafür können, wenn sich die Eltern nicht mehr miteinander verstehen.»

Ursprünglich hat Patrick eine KV-Lehre bei einer Versicherung absolviert. Seine Eltern hätten ihm gesagt, dass er diese Ausbildung machen solle, weil so das Leben für ihn offenstehen würde.

Die vielen Männer im Tram

Seine queere Seite hat der ehemalige TV- und Radio-Moderator in der späten Pubertät entdeckt. Am Anfang hatte er eine Freundin. Das habe anfangs auch gepasst. «Ich habe nie jemandem etwas vorgespielt», betont er. Drei Jahre war Patrick Hässig mit seiner Freundin zusammen. «Aber mit der Zeit habe ich im Tram mehr und mehr interessante Männer gesehen.» Plötzlich ging es ihm damals gesundheitlich nicht mehr gut. «Ich habe auch körperlich gemerkt, dass etwas nicht stimmte.» Der Grund war, dass er sich in dieser Beziehung einfach unwohl fühlte. 

Zu dieser Zeit wechselte er den Job und haute für drei Monate nach England ab, um sein Englisch zu verbessern. «Ich wusste damals einfach nicht, was los ist.» Und irgendwann hat er dann jemanden kennengelernt. Einen Mann. «Ups! Das war einfach eine ganz andere Ebene!» Damals musste er sich eingestehen, dass er Männer nicht nur im Tram sah, sondern auch gefühlsmässig mehr für das gleiche Geschlecht empfand als für Frauen.

Mit seiner damaligen Freundin hat Patrick Hässig dann von einem Tag auf den anderen Schluss gemacht. Das tut ihm zwar für seine Ex noch immer leid, war aber ein wichtiger Schritt in seinem Leben, denn plötzlich wurde alles wieder gut. Sein «Herzkreislauf-Gschmöis», an dem er damals litt, war auf einmal weg. «Ich war super froh, dass ich es so herausgefunden habe.» 

Viele würden ihre Homosexualität auch heute noch verstecken oder unterdrücken. «Es ist sehr schade, wenn man aus gesellschaftlichen Gründen nichts ändert.» Diese Erfahrung sei niederschwellig auch ein Grund dafür, weshalb er heute bei der Grünliberalen Partei ist. «Ich bin ein liberaler Mensch und wünsche mir das auch für andere.»

Auf dem lila Mond seinen Schatz getroffen

Dass Patrick bereits 18 Jahre mit seinem Mann zusammen ist, zelebriert der Familienmensch: «Ich habe den absolut richtigen Mann gefunden.» Die beiden haben sich damals über die Plattform «Purplemoon» getroffen. Die Beziehung mit seinem Lebenspartner, einem 40-jährigen Walliser, der in Zürich studiert hat und heute Geschäftsführer eines KMUs ist, verleiht Patricks Leben eine «grosse Stabilität». Jeder wisse ganz genau, was der andere brauche: «Wir spüren uns einfach sehr gut». Deshalb könnten sie sich gegenseitig optimal unterstützen. Als Wassermann braucht der Noch-Radiomoderator aber immer auch seine Freiheiten. 

Radio-Mann Patrick Hässig im Element

Mister Hitparade will nach Bern

Nach seinen Radio-Karrieren bei Radio 24 und Energy Zürich, der SRF3-Hitparade und der TV-Quiz-Sendung «Weniger ist mehr» auf SRF wird er sich bald ganz aus den Medien zurückziehen. Bis Ende Oktober ist er noch sporadisch auf Radio Energy Zürich zu hören. Dann wird er dieses wichtige Kapitel in seinem Leben schliessen.

Im Moment versucht er ein neues, sehr zeitintensives und weiteres politisches Kapitel aufzuschlagen. Patrick Hässig strebt im Oktober einen Nationalratssitz an. Sein Partner unterstützt ihn dabei tatkräftig. «Er ist mein Wahlkampfleiter und hält mir immer wieder den Rücken frei», verrät der GLP-Politiker gegenüber
DISPLAY. «Zusammen sind wir fast unschlagbar!» Nun hofft Patrick, dass es im Oktober auch so sein wird. «Mein Schatz wäre dann 50 Prozent für den Sieg mitverantwortlich», sagt er und lacht.

In den Nationalrat gewählt zu werden sei aber «schwierig», konstatiert der Porträtierte. Dies, weil er eine bisherige Nationalrats-Person von den Grünliberalen stimmenmässig überholen muss. Rein rechnerisch sei dies aber machbar. «Wenn es mir gelingt, gleich viele Leute zu mobilisieren, wie ich das in Zürich konnte, dann reicht das!», sagt er optimistisch. Aber wie die Wahl am 22. Oktober dann ausgehen wird, könne heute noch niemand sagen.

Patricks Mann war schon vorher in der GLP. So hat der Pflegefachmann die Partei erst durch seinen Schatz kennengelernt. «Politisch interessiert war ich aber schon immer.» Politformate vom SonnTalk bis zur Arena habe er sich regelmässig angeschaut. Als er noch in den Medien gearbeitet hat, fand er es aber nicht angebracht, sich politisch zu äussern.

«Dann hat es ‘bumm’ gemacht!»

Während der Pandemie befand sich Patrick Hässig in seiner Ausbildung zum diplomierten Pflegefachmann HF. Dort seien die Probleme der Branche immer offenkundiger geworden. «Irgendwann habe ich mich in den Sozialen Medien dazu geäussert.» Kurz darauf wurde er in die Arena von SRF eingeladen. «Dann hat es ‘bumm’ gemacht», sagt der Pflegefachmann, der seit März im Triemli auf dem Kindernotfall arbeitet. Was nach seinem Auftritt in der SRF-Polit-Sendung passierte, bezeichnet Patrick als «Explosion». Aufgrund seiner klaren und deutlichen Sprache wurde er noch in weitere Talksendungen eingeladen und fand so heraus, dass er eine Message hat.

mit Kollege Sven Epiney anlässlich des Jubiläums 50 Jahre Hitparade.

Auf Anhieb im Gemeinderat

Dies merkte auch das Zürcher Stimmvolk. Bei den Gemeinderatswahlen 2022 eroberte er sich auf Anhieb einen Sitz im Zürcher Stadtparlament. Damals startete Patrick Hässig auf dem sechsten Platz, um dann auf der ersten Position zu landen. Für die GLP holte er im Kreis 11 einen vierten Sitz. 2023 schaffte er es mit einem Glanzresultat in den Kantonsrat. 

In Bern will der 44-Jährige die Pflegeinitiative mit auf den Weg bringen und fertig umsetzen. 2024 kommt der Teil in den Nationalrat, der sich um die Arbeitsbedingungen in der Pflege kümmert. Im eidgenössischen Parlament sei der Hebel am grössten, weshalb er dort in Zukunft ansetzen möchte. «Die Bedingungen in der Pflege müssen unbedingt verbessert werden!» Pflege sei eigentlich kein zentrales Thema der GLP. Er als jemand, der genau wisse, wovon er spricht, wolle die Politiker:innen in Bern sensibilisieren und überzeugen. «Mein Ziel ist es, dass wir in der Pflege in Zukunft weniger Probleme haben und endlich auch eine Pflegefachperson in den nationalen Räten Einsitz hat.»

Ein Vorbild sein

Weshalb er sich die Grünliberale Partei ausgesucht habe, wollen wir von Patrick Hässig wissen. «Ich bin auf jeglicher Ebene nicht konservativ unterwegs.» Zudem würde der Welt ein Tick mehr Ökologie guttun. Es werde nicht ein Grad kühler und die Welt werde auch nicht besser, wenn Zürich mehr Bäume pflanze. «Aber wir können ein internationales Vorbild sein», sagt der überzeugte Tesla-Fahrer.

In der letzten DISPLAY-Ausgabe haben wir die queere Nationalrats-Liste der SP vorgestellt. Eine solche Auswahl bietet die GLP nicht an. «Auch ich bin nicht jemand, der an vorderster Front für queere Themen kämpft», gibt Patrick im Interview zu. Aber er unterstütze die Thematik diskussionslos, wo er könne.

Dazu müsse er seine schwule Seite nicht zelebrieren. Er lebe völlig offen und habe als Gay nie negative Erfahrungen gemacht. Seine Neigung sei für ihn deshalb nie ein grosses Thema
gewesen. Auch seine Mutter habe er bei seinem Coming-out sofort beruhigen können. Diese haben ihn gefragt: «Gäll, du läufst jetzt aber nicht mit der Federboa herum, oder?» Patrick sagte: «nein, sicher nicht!» und lacht bei dieser Erzählung über das ganze Gesicht. 

Er sei kein queerer Vorreiter, das wisse er. «Aber ich würde mich freuen, wenn ich dennoch ein Vorbild sein kann.» So würde er es auch anderen Personen wünschen, dass sie ihre queere Seite so leben könnten, wie er; nämlich absolut positiv und integriert.