Hey Scientology, ich bin noch zu haben!

Was Tom Cruise so erfolgreich macht, muss auch mir zum Durchbruch verhelfen: Scientology. Es gibt allerdings ein grosses Problem. Die wollen mich nicht. 

 

«Das funktioniert niemals», sage ich leicht genervt. «Warum nicht? Vielleicht freuen die sich ja, dass wir anrufen?», entgegnet Carole. Wir schreiben das Jahr 2013. Carole und ich studieren Journalismus und haben gerade folgende Aufgabe erhalten: Filmt eine Reportage zu einem Thema, das euch interessiert. Ich schlage nicht ganz ohne Hintergedanken vor, dass wir einem Bademeister des Spassbads Alpamare über die Schulter blicken sollten. Caroles Vorschlag ist extremer: «Lass uns Scientology besuchen.» 

«Sie wollen was?! Eine Reportage filmen, hier bei uns im Gebäude? Wie wäre es nächsten Dienstag?» Ich bin baff. Den Termin bei Scientology bekomme ich schneller als den für die Zahnreinigung. Sogar eine PR-Verantwortliche wird aufgetrieben. Die führt Carole und mich durchs Gebäude. Bis auf einen Raum dürfen wir alles filmen. So zum Beispiel das Büro des Scientology-Gründers, der Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard. Der ist zwar seit 1986 tot, dennoch gibt es in jeder Niederlassung einen Raum für ihn. Einerseits als Gedenkschrein, andererseits könne er sofort mit der Arbeit loslegen, sollte er von den Toten zurückkehren. Wir werden durch einen Shop mit überteuerten Büchern und DVDs geführt (Hubbard soll mehr als 300 Werke verfasst haben), dann wird’s richtig spassig. Ich darf ans E-Meter.

Mit Druck zur geistigen Veränderung

Das E-Meter sieht aus wie ein primitiver Lügendetektor. Ich halte zwei Blechdosen in der Hand und soll an Dinge denken, die ich in der Vergangenheit verloren habe. Der Zeiger des E-Meters schlägt aus. Da tue sich etwas in meinem Kopf, meint die PR-Dame. Das E-Meter messe meinen geistigen Zustand und zeige dessen Veränderungen an. Gemäss Wikipedia misst das Ding jedoch einfach nur den Hautwiderstand. Je mehr ich die Dosen drücke, desto mehr schlägt der Zeiger aus. Während Carole versucht, ihr Lachen zu unterdrücken, warte ich sehnsüchtig auf den Sales Pitch. Wann versucht mich Scientology an Bord zu holen? Wann wird mir der Knebelvertrag hingelegt? Sehen die denn nicht, dass ich willig bin?

Tom Cruise war noch nicht da

Scientology funktioniert nach dem Stufenprinzip. Je höher man aufsteigt, desto teurer wird’s. Quasi eine spirituelle Migros-Klubschule mit einer Prise Ufo-Kult und beschissenen AGBs. Man belegt Kurse und versucht mittels Sitzungen am E-Meter den Geist zu reinigen. Offiziell klingt das natürlich anders. Eine Sekte sei man nicht, eher eine Glaubensgemeinschaft, sagt die PR-Dame. Druck auf die Mitglieder gebe es keinen. Scientology sei gratis, einzig die Kurse und Kursmaterialien müsse man zahlen. Das mit den Ufos stimme nicht. Tom Cruise sei noch nie in der Zürcher Niederlassung gewesen. «Was ist mit John Travolta?» – «Nein, der auch nicht.»

Ganz zum Schluss der Führung fülle ich einen Persönlichkeitstest aus. Um die Resultate zu erhalten, trabe ich zwei Wochen später nochmals an. Ein mittelmässiger Mensch sei ich, wird mir da von einem freundlichen Berater eröffnet. Aber in mir stecke viel Potential. Scientology könne mir helfen, dieses zu entfalten. «Endlich, jetzt buhlen sie um mich», denke ich mit einem Grinsen im Gesicht. Ich solle unbedingt ihren Kommunikationskurs machen, meint mein Berater. Für 120 Franken! 

«Lässt sich da preislich noch was machen? Ich bin Student und 120 Franken sind mir zu viel», entgegne ich. «Nein, das ist ein Fixpreis, da können wir nicht dran rütteln», sagt er. Ich solle mich doch nochmals melden, wenn ich die 120 zusammen hätte. «Bis dahin wünsche ich dir eine gute Zeit. Der Ausgang ist vorne links.» Krass. Scientology zeigt mir die kalte Schulter. Frustriert trinke ich meinen kostenlosen Kaffee aus und verlasse das Gebäude. Seither erhalte ich im Jahresrhythmus E-Mails der Niederlassung Zürich. Wirkliches Interesse schimmert allerdings nicht durch. Schade, wo doch so viel Potenzial in mir stecken würde.