Woke Safe-Space-Comedy

Funktionieren Witze, wenn man vorher Triggerwarnungen aussprechen muss? Lacht da überhaupt noch wer? Ich habe Comedy ausprobiert, die nicht anecken darf. Das Resultat war erstaunlich.

Von Frank Richter

Ich muss mehrfach übers Display wischen, um die komplette Nachricht zu lesen. Mir wurden gerade Regeln für eine Safe-Space-Comedy-Show zugeschickt. Die Idee klingt erst mal nicht schlecht: Queeren Performer:innen und dem queeren Publikum soll ein geschützter Raum geboten werden, in dem sich alle wohlfühlen. 

In der Nachricht steht: «Keine frauenfeindlichen, queerfeindlichen, transfeindlichen, rassistischen, ableistischen oder homophoben Jokes. Witze gegen alte, weisse Cis-Männer sind ok. Kein Slutshaming, Bodyshaming, nichts über Religion und folgende Themen bitte auslassen oder im Notfall mit einer Triggerwarnung versehen: Mord, Suizid, Tod, Missbrauch oder explizite Bezugnahme auf Körpermerkmale/Genitalien. Falls du mit dem Publikum sprichst, unterstelle niemandem ein Geschlecht oder ein Pronomen.» Scheisse, denke ich, da kann ich ja über gar nichts sprechen. Dabei hatte ich zwei so tolle Nummern über Schlampen und Jesus.

Der Abend des Auftritts. Wir sitzen im Backstage einer netten kleinen Gaybar in Berlin. Ich unterhalte mich mit den Künstler:innen. Pronomen lasse ich tunlichst weg, ich will in kein Fettnäpfchen treten. Zwei der Comedians sind trans, eine Person ist lesbisch non-binär, eine irgendwas dazwischen. Die Person trägt einen Haarreif mit Katzenohren und nennt sich Kätzchen. Comedy mache Kätzchen nicht, Kätzchen sei mehr der Typ queerfeministische Lesung. 

Vor Shows versuche ich immer ein Gefühl fürs Publikum zu kriegen. Welches sind die demografischen Merkmale? Wie sind die stimmungstechnisch drauf? Im Publikum sehe ich primär Frauen Mitte 20. Sorry, töricht von mir anzunehmen, dass es Frauen sind. Korrekt heisst es: Ich sehe Personen, die ich als weiblich lese.
Die Moderatorin macht das Warm-up. Bisschen AfD-Bashing, Applaus. Ihr Chihuahua rennt aus dem Backstage auf die Bühne, Applaus. Sie erklärt nochmals das Prinzip Safe Space, Applaus. Lacher während der ersten 15 Minuten, null. 

Die erste auftretende Person nennt sich Parmesan Pesto. Sie legt los mit Genderwitzen. Nach fünf Minuten folgen weitere Jokes rund ums Thema Geschlecht. Nach zehn Minuten realisiere ich: Wir sind monothematisch unterwegs, es sind wirklich nur Genderwitze. Kostprobe: «Ich weiss nie, welches Klo ich benutzen soll. Männlich, weiblich? Ich gehe einfach durch die Mitte und lande auf Gleis 9 ¾.» Das Publikum belohnt die Witze mit Gesinnungsapplaus, gelacht wird nicht.

Es folgt die Lesung queerfeministischer Tagebucheinträge von der Person mit den Katzenohren. Viel Applaus, einige Schmunzler. Das Highlight ist allerdings, als die Person folgenden Satz ausspricht: «Oh, jetzt habe ich mich selber falsch gegendert. Wow, das tut mir voll leid. Leute, für mich ist das hier eine Reise und manchmal biege ich falsch ab. Ich hoffe, ihr könnt mir verzeihen.» – Tosender Applaus. Das nur, weil das Wort «er» vorkam. An dieser Stelle tue ich das, was man als Comedian eigentlich möglichst vermeiden sollte: Ich vorverurteile das Publikum. Denn ich weiss schon jetzt: Mein Material werden die hassen. Comedy ist voll nicht deren Ding.

«Unser nächster Comedian ist extra aus der Schweiz nach Berlin gereist. Bitte klatscht für Franz Richter». Durchs Publikum kämpfe ich mich auf die Bühne. Ich spüre meinen Herzschlag, mein Mund ist trocken, ich schwitze. «Hallo», sage ich mit brüchiger Stimme. «Ich komme aus der Schweiz. Bei uns sind Pronomen nicht so wichtig, wir haben Geld.» – Totenstille. «Homosexualität setzt sich in Zürich langsam durch. Wir sind mittlerweile zu viert.» Ein Schmunzler. 

Das kann ja heiter werden, denke ich. Ich versuche es mit unverfänglichem Zeug aus meiner Kindheit, gehe über zu Schweizer Klischees und lande irgendwann bei Hitler. Wenn schon scheitern, dann richtig. «Man kann den Nazis vieles vorwerfen, aber sie haben immerhin noch gegrüsst.» Schallendes Gelächter, das direkt wieder abklingt, als hätte jemand am Lautstärkeregler gedreht. 

«Schwarzer Humor ist wie Sex. Die einen mögen’s lieber sanft, die anderen lieber hart, andere wären froh, man hätte zuerst mal gefragt.» Das gleiche Phänomen. Laute Lacher, die sofort wieder verstummen. 

Ich beginne zu realisieren, dass die schwarzen Humor zwar goutieren, aber es ist nicht die Gesellschaft dafür. Man lacht über ein Tabuthema und merkt sofort, dass man für den Lacher sozial geächtet werden könnte, also reisst man sich zusammen. Allerdings komme ich mit sämtlichen Gags durch. Keine Zwischenrufe, kein Gebuhe, nur Lacher, die sehr schnell wieder abklingen.

Am Schluss fragt die Moderatorin, ob sich alle «safe» gefühlt hätten. Ich erwarte, dass jemand meine Witze kritisiert. Schliesslich habe ich gegen das Regelbuch verstossen. Eine Hand schnellt nach oben: «Ich habe Angst vor Hunden. Als dein Chihuahua plötzlich auf die Bühne rannte, hat mich das total getriggert.» Ich muss schmunzeln, denn der Einwand kommt ausgerechnet von der Person mit den Katzenohren. 

Bezüglich der Inhalte gibt es allerdings keine Rückmeldungen. Ist wohl doch nur halb so wild mit der politisch korrekten Comedy. Weder wurde ich direkt gecancelt, noch fühlte sich irgendwer getriggert. Dennoch bietet Safe-Space-Comedy meiner Meinung nach eine grosse Gefahr: Langeweile.