Plädoyers für Toleranz

DISPLAY-Tipp: Zwei beeindruckende queere Filme am Human Rights Film Festival Zürich.

Von Christian Gersbacher

Nach dem Konkurs des Kosmos hat das Human Rights Film Festival eine neue Heimat gefunden. Das 9. HRFF Zurich findet vom 4.–10. April 2024 in den Riffraff-Kinos und im nahegelegenen Zollhaus sowie weiteren kleineren Lokalitäten statt. Mit dabei sind auch zwei queere Filme. Unter anderem der queere Spielfilm «LOBO E CÃO» und die Doku «Queendom» über eine Dragqueen in Moskau.

Über sieben Tage hinweg werden Filme zu aktuellen Menschenrechtsthemen gezeigt. Im Anschluss gibt es jeweils die Gelegenheit für Gespräche mit Regisseur:innen, Protagonist:innen und thematischen Expert:innen.

LOBO E CÃO I Portugal 2022 | Cláudia Varejão | Spielfilm

Sehnsuchtsort für die einen, beengende Heimat für die anderen: das Azoren-Archipel mitten im Atlantischen Ozean. Hier finden Tourist:innen Naturspektakel und Erholung, doch für die besten Freunde Ana und Luis sind die Inseln ein Ort ohne Zukunft. Der Alltag ist geprägt vom Katholizismus und fest zementierten Geschlechterrollen, von denen sich die Jugendlichen zu befreien versuchen. Zuflucht gibt ihnen die queere Gemeinschaft, mit der sie Grenzen ausloten, glitzernde Partys feiern und sich den komplexen Gefühlen hingeben, die das Aufwachsen zwischen Tradition und Rebellion mit sich bringt. Als Cloé aus Kanada zu Besuch kommt, lässt sich Ana auf eine aufregende Reise ein, die sie über ihren eigenen Horizont hinausführen wird. Lustvoll erkundet sie die Möglichkeiten einer fluiden sexuellen Identität. Ein kraftvolles Porträt der Jugend von São Miguel, die Verletzlichkeit zulässt und sich gemeinsam über erdrückende Normen hinwegsetzt – und eine queere Utopie vorlebt, die inspiriert.

Spielzeiten: Do. 4. April 21:00 Uhr, Fr. 5. April 18:20 Uhr.

QUEENDOM I USA, Frankreich 2023 | Agniia Galdanova | Dok

«Schmerzt es?», fragt eine Freundin, als sie Gennadyi Stacheldraht fest um den Kopf und den ganzen Körper wickelt. «Mach einfach!», antwortet Gennadyi und verzieht keine Miene. So radikal und provokativ wie ihre Kostüme ist auch die Lebenshaltung der Dragqueen. Unbeirrt von gesellschaftlichen Moralvorstellungen mischt sich Gennadyi als Gena Marvin unters russische Volk und löst nicht selten lebensbedrohliche Reaktionen aus. Genas Waffe ist der eigene Körper – eingehüllt in selbstgeschneiderte Outfits, mit furchteinflössender Schminke und Tentakel erhitzt sie die repressiven Gemüter. In unglaublich hohen Absätzen bewegt sich Gena wie ein Alien durch die Strassen, Metrostationen oder Supermärkte Moskaus, um gegen den Krieg in der Ukraine, vor allem aber gegen die Gewalt an LGBTIQ+ in Russland zu protestieren. Geprägt von einer Jugend auf dem Land, wo auf Gennadyis Anderssein mit psychischer und körperlicher Gewalt geantwortet wurde, kämpft die furchtlose Performer:in heute für Toleranz und gegen Ausgrenzung – auch im eigenen familiären Umfeld, wo der Grossvater wenig Verständnis für die nonbinäre Identität des Enkels zeigt.

Spielzeiten: Sa. 6. Apr. 15:30 Uhr, So. 7. Apr. 18:20 Uhr

Am Samstag im Anschluss Gespräch mit dem Produzenten Igor Myakotin (Engl.)

Nemo: Endlich frei

«I gloube das bisch du». Damit hat Nemo sich mit 18 in die Herzen der Fans gesungen und landete auf Platz 4 der Schweizer Hitparade. Mittlerweile ist Nemo 24, lebt in Berlin, singt Englisch und bezeichnet sich als nicht-binär – eine eigentliche Befreiung. DISPLAY hat Nemo in einem Berliner Café vor dem grossen Abenteuer ESC getroffen.

Interview Josia Jourdan Bilder Ella Mettler