Mit Humor gegen Vorurteile

Ein Gespräch mit dem schwulen Stand-up-Comedian Simon Stäblein über seinen Einsatz gegen
Homofeindlichkeit, seine Ehe und sein neues Programm «Ich schmeiss mich weg».

Text Christian Gersbacher

Der Kölner Comedian Simon Stäblein thematisiert auf der Bühne Themen aus dem Alltag seiner homosexuellen Beziehung und will damit Vorurteile abbauen. Im Januar startet er sein drittes Soloprogramm mit dem Titel «Ich schmeiss mich weg» und nimmt seine Zuschauer:innen mit auf eine Reise, in der er von seinen eigenen Misserfolgen, skurrilen Eigenheiten und Strategien erzählt, wie er den alltäglichen Ärger und Frust in etwas Unterhaltsames verwandelt. Er erzählt von unüberbrückbaren Differenzen mit seinem Partner nach mehr als sechs Jahren Ehe, von Erlebnissen während eines Meditationswochenendes und von der absoluten Verzweiflung auf der Baustelle der neuen Wohnung. 

DISPLAY wirft im Interview mit Simon einen Blick hinter den Vorhang, um herauszufinden, wie er vom BWL-Studenten zum Stand-up-Comedian wurde und wie er es schafft, seine Zuschauer:innen nicht nur zum Lachen zu bringen, sondern auch ernsthafte Themen wie Homophobie und Vorurteile auf seine ganz eigene, unterhaltsame Art anzusprechen.

Simon Stäblein: Eigentlich bin ich wegen der Entertainmentbranche nach Köln gezogen. Da ich aber ein sehr sicherheitsorientierter Mensch bin, habe ich mich für ein BWL-Studium entschieden. Nebenbei habe ich immer wieder Praktika in Produktionsfirmen gemacht. Nach dem Studium wollte ich erst einmal das machen, was mir wirklich Spass bereitet. Als ich dann ein halbes Jahr eine Schauspielschule besucht habe, war mir klar, dass ich auf der Bühne stehen und nicht in einer Produktionsfirma arbeiten möchte. 

Ich habe mir damals vorgenommen, vor meinem 25. Geburtstag das erste Mal auf der Bühne zu stehen. Mein Geburtstag war am 27. November, und am 26. November hatte ich meinen ersten Auftritt auf einer Kölner Kleinkunstbühne. Da ich schon immer ein Perfektionist war, war es am Anfang sehr schwer für mich! Deshalb hat es auch ein bisschen gedauert, bis ich Selbstvertrauen für meine Auftritte entwickelt habe.

Der Schauspieler und Komiker Jim Carrey sagte einmal in einem Vortrag: «Du hast zwei Möglichkeiten – Angst und die andere ist Liebe! Du musst entscheiden, wie viel Raum du ihnen gibst.» Das war eine grosse Inspiration für mich. 

Ich hatte Angst zu versagen und dass meine Auftritte nicht gut genug sein könnten. Aber mit der Zeit habe ich gelernt, mich dieser Angst zu stellen und sie zu überwinden.

Als dann das positive Feedback kam und die Leute meine Auftritte gut fanden, war das eine riesige Motivation für mich. Es gibt nichts Besseres, als das Lachen und die Begeisterung der Zuschauer:innen zu spüren. Mein allererstes Geld mit meinen Comedy-Auftritten zu verdienen, war dann auch etwas ganz Besonderes für mich. Mit meinem Hobby und meiner Leidenschaft etwas zu verdienen, fühlte sich einfach krass richtig für mich an. 

Bei der Entwicklung meiner Shows gehe ich oft von persönlichen Erlebnissen und Beobachtungen aus dem Alltag aus. Ich finde Inspiration in den kleinen Dingen, die uns allen im Alltag passieren und versuche diese auf humorvolle Weise darzustellen. 

Als ich vor zehn Jahren mit Stand-up-Comedy angefangen habe, war der offene Umgang mit queeren Themen noch nicht so selbstverständlich wie heute. Ich beobachte, dass gerade viele junge Menschen heute sehr offen mit ihrer Identität und sexuellen Orientierung umgehen. Am Anfang hatte ich Angst vor Ablehnung. Ich bin in einer ländlichen Gegend aufgewachsen, da hat man wenig Berührungspunkte mit queeren Menschen.

Die deutsche Stand-up-Comedian Tahnee Schaffarczyk war mit ihrem offenen Umgang mit lesbischen Themen auf der Bühne sicher eine Inspiration. Für mich war der Punkt: Als Künstler:in musst du die Leute finden, die gut finden, was du machst. Du kannst nie alle Menschen erreichen. Die Frage war: Will ich den Leuten erzählen, was sie hören wollen, oder will ich ihnen meine Geschichte erzählen? Wer will ich sein? Und das war der Knackpunkt – ich will auch erzählen, wer ich bin, was ich denke und so auf der Bühne stehen können!

Am Anfang waren mein Coming-out und Homophobie ein Thema. In der jetzigen Show spreche ich eben nicht über meine Frau oder Freundin, sondern selbstbewusst über meinen Mann und behandle damit Beziehungsthemen wie bei heterosexuellen Paaren, nur dass es eben keine heterosexuelle Beziehung ist. Damit möchte ich eine Normalität für das Thema Homosexualität schaffen und aufzeigen: Wir haben genau die gleichen Probleme und Beziehungsfragen wie heterosexuelle Paare.

Natürlich! Aber nach einem Jahrzehnt habe ich eine Balance zwischen Lockerheit und Anspannung gefunden. Denn auf der einen Seite braucht man für gute Stand-up-Comedy eine gewisse Grundanspannung. Dass man präsent ist! Und natürlich braucht man auch eine Lockerheit, die man auf das Publikum überträgt, denn man lacht nur, wenn man locker ist.

Am Sonntag habe ich einen grösseren Auftritt in Köln, der von einem Kamerateam für Social Media begleitet wird. Natürlich bin ich aufgeregt, aber das gehört dazu. Am besten hilft es mir, wenn ich vor der Show jemanden um mich habe, mit dem ich lachen kann. Ansonsten versuche ich, mich voll auf das Posi-
tive zu konzentrieren und an meine Erfolge zu denken.

Zum Glück habe ich bei meinen Auftritten so gut wie keine Anfeindungen erlebt. Allerdings: Ich hatte auf Instagram einen Pride-Post von einem Zusammenschnitt vom Kölner CSD gepostet und daraufhin eine Flut von Kommentaren von Hatern und Trollen bekommen. Es war krass für mich zu sehen, wie viel Hass immer noch da ist. Das war ein WOW-Moment. Ich war schockiert über die Ausdrucksweise und was da geschrieben wird. Ich glaube, niemand ist völlig unbeeinflusst von dem, was er liest. Menschen sind soziale Wesen und wollen akzeptiert werden. Wir hatten damals auch eine stressige Situation mit unserem Umzug, und da war ich ein bisschen dünnhäutig, und es hat mich wirklich getroffen. Aber Anfeindungen wird es immer geben. Ich werde trotzdem meinen Beitrag leisten. Ich lasse mich davon nicht einschüchtern, sondern mache erst recht weiter.


Fünf schnelle Fragen an Simon

1. Wie verbringst du am liebsten einen freien Abend? 
Auf dem Sofa bei Kaminfeuer und einem guten Film. 

Was ist aktuell dein Lieblingssong? 
Typisch gay: Taylor Swift – You Need To Calm Down. 

Was hilft gegen Lampenfieber? 
Definitiv lachen! 

Welches Tier wärst du gern und warum? 
Ein Vogel, weil ich fliegen einfach mega geil finde! 

Welche Künstler:in hat dich am Anfang deiner Karriere inspiriert?  
Am Anfang meiner Karriere Ellen DeGeneres, auch wenn es zuletzt auch einige kritische Stimmen ihr gegenüber gab.


Zu Hause habe ich mich erst nach dem Abitur geoutet, als ich schon in Köln studiert habe. Bei meinen Eltern habe ich meinen damaligen Freund einfach zu einer Familienfeier mitgebracht, und das war am Ende ganz locker. Aus dem engeren Familien- und Freundeskreis habe ich zum Glück nie Ablehnung erfahren. Wenn, dann eher von Fremden oder über Social Media. Wichtig war für mich damals zu sehen, dass es Menschen gibt, die trotz Coming-out erfolgreich sind. Das öffentliche Outing der amerikanischen Moderatorin Ellen DeGeneres war damals ein ganz grosses Thema. Sie war für mich der Beweis, dass man auch mit einem Coming-out Erfolg haben und gesellschaftlich anerkannt werden kann.

Es gab in den Medien viele Stereotypen über homosexuelle Menschen, über die man sich lustig gemacht hat. Ich glaube nicht, dass das von den Kulturschaffenden böse gemeint war, aber es ist trotzdem schwierig in einer Phase, in der man sich selbst noch unsicher fühlt mit seiner sexuellen Orientierung. Queere Vorbilder sind für mich dann auch mehr mit der Verbreitung von Social Media gekommen.

Bei heutigen Sendungen wie Prince Charming merkt man natürlich, dass es viel um Quoten geht. Leider sind solche Formate auch sehr cringe geworden, zum Fremdschämen.

Corona hat schon viel verändert. Ich liebe die Live-Interaktion mit Menschen, die man bei Videos auf Social Media nicht hat. Plattformen wie TikTok ermöglichen es Künstler:innen heute, sich selbständig einem breiten Publikum zu präsentieren. Ob Leute, die zu Hause Videos machen, auch live überzeugen können, weiss wman natürlich nicht. Ich hoffe, dass weiterhin viele Leute zu Live-Auftritten kommen. 

Es gibt Momente, da möchte ich mich am liebsten in die Tonne kloppen und verschwinden. Gleichzeitig steht der Name dafür: Ich schmeisse mich weg, ich lache mich tot. Lachen ist oft die beste Art, mit den manchmal skurrilen und chaotischen Situationen des Lebens umzugehen. Das Programm ist geprägt von meiner Selbstfindung in den Dreissigern. Wie geht man mit Sinnfragen um? Wie entwickelt sich eine Beziehung nach sechs Jahren Ehe? Es geht also um den Alltag in einer homosexuellen Beziehung. Und da wird es sehr persönlich. Wir sind umgezogen, haben eine Wohnung renoviert. Ich war auf einem Meditationsretreat, und auch da sind lustige Sachen passiert. Manchmal dachte ich, dass ich mich am liebsten wegschmeissen würde, und dann dachte ich wieder, dass ich mich einfach über die lustigen Dinge freuen sollte, die mir auf meinem Weg passiert sind. Die Show bietet viele persönliche Einblicke und das ist es, was Stand-up für mich ausmacht.  

▶ Infos:  simonstaeblein.de