Kunst mit einem queeren Hint

Luca Süss hat sich einen Namen in der Schweizer Kunstszene gemacht und 2021 den renommierten Niarchos-Preis gewonnen. Luca Süss spielt in der Kunst mit Queer Codes. DISPLAY hat sich mit Süss unterhalten.

DISPLAY: Luca, du hast für ein Hotel ein Zimmer gestaltet zur Thematik «The Christmas Paradox». Wie ist es dazu gekommen?

Luca Süss: Ich bin mit Esther Epstein, die vor zwei Jahren den Swiss Art Award erhalten hat, befreundet. Sie hat mich und einige andere empfohlen und so wurde ich dann ausgewählt und hatte freie Hand in der Umsetzung der Thematik. 
Das Paradox von Weihnachten zwischen Liebe und Überkonsum, aber auch Sinnlichkeit und Stress war das Thema. Daran habe ich vier Monate gearbeitet, anschliessend gab es eine Ausstellung und seitdem können Menschen in diesem Hotelzimmer wohnen. Das ist etwas Besonderes für mich, weil Kunst oft bloss aus­gestellt wird – nun leben aber Menschen mit diesen Kunstwerken in einem Zimmer. 

Wie hast du zu deinem Stil gefunden?

Früher hat mich besonders Malerei interessiert. Mit der Zeit habe ich jedoch gemerkt, dass ich mein Spektrum an Techniken erweitern möchte und habe angefangen, Unterschiedlichstes auszuprobieren. So bin ich mittlerweile bei Plastiken gelandet, die ich giesse, forme, zusammensetze und nähe.

Hast du Vorbilder?

Anna Uddenberg, die auch mit gefundenen Materialien arbeitet, empfinde ich als Inspiration, aber auch Sarah Lucas, die Teil der Young British Artists-Szene ist. Die Skulpturen von Jake und Dinos Chapman sind für mich ebenfalls prägend. 
Viel Inspiration kommt aber auch über social Media. Es ist wunderschön, wie vernetzt wir sind und wie viel es zu entdecken gibt, das mich inspiriert. 

Fragmented Years And Joyful Sun-Flowered Framings 2021.

Welche Themen bewegen dich?

Thematisch greife ich gerne die Repräsentation queerer Körper in unserer Gesellschaft auf. Das kann weitergedacht in Form von Kreaturen und Formen sein, aber auch ganz nah, so wie wir gesellschaftlich geprägt sind, wie ein Körper auszusehen hat. Pinke Rüstungselemente als Symbol für den Kampf gegen soziale Stereotypen und den Hass auf uns.
Popkultur und Kindheitshelden beeinflussen mich nicht nur privat, sondern auch in meiner Arbeit. Aber auch das Einbauen von Queer Codes – Erkennungszeichen und Symbole der queeren Bewegung. Da entsteht ein Kontrast zwischen Recycling und Gefundenem hin zu Aufgestyltem, mit Strasssteinchen Überzogenem. Aber auch das Leben während und inmitten einer Klimakatastrophe, in der wir uns bereits befinden, beeinflusst, wie und womit ich arbeite.

Gibt es Raum für deine Kunst in klassischen Institutionen?

Die Kunstwelt ist gross und vielfältig. Institutionen und klassische Museen setzen zwar oft auf bereits Renommiertes, auf alte Werke und Künstler:innen. Trotzdem ist viel in Bewegung. Zum einen von Seiten der Kunstschaffenden, die sich mit Perfomance Art und Alternativen zu starrer Ausstellungskunst abheben. Zum anderen ist der Diskurs darüber präsent, sich für die zeitgenössische Kunst von jungen Menschen zu öffnen und queeren Menschen eine Plattform zu bieten. Das kann gut funktionieren, manchmal geht es jedoch auch schon fast ins Exhibitionistische. Aber ich bin grundsätzlich offen. Es ist spannend und wichtig, zu reflektieren, wie die Zusammenarbeit zwischen klassischen Institutionen und moderner, queerer Kunst aussehen könnte. 

Wo siehst du dich denn selbst?

Es ist für viele ein Traum, von einer renommierten und gut vernetzten Galerie entdeckt und unter Vertrag genommen zu werden. Der Nachteil: Dann würde ich auch eher in ein Schema gepresst werden, da ich dann natürlich mit dem etabliert werde, worin die Galerie das Potenzial sieht sowie die Möglichkeit, Geld zu machen. Würde ich also irgendwann beschliessen, keine Plastiken mehr machen zu wollen, sondern mich an neuen Techniken auszuprobieren, könnte das schwierig sein. Trotzdem: Würde eine erfolgreiche Galerie an mich herantreten, würde ich nicht nein sagen.
Aber ich bin schon noch auf der Suche. Es gibt schliesslich auch Off Spaces, von kreativen Menschen organisierte Ausstellungsräume sowie Ausschreibungen und Preise, die einerseits helfen, sich einen Namen zu machen, und anderseits oft mit einem Preisgeld oder Stipendiat verbunden sind. 

A propos Preise: Du hast den Niarchos Award for Young Art erhalten. Wie ist es dazu gekommen?

Ich habe diesen Preis im ersten Jahr meines Studiums erhalten. Es war eine Ausschreibung und ich habe mich mit einem Portfolio beworben. Während der Erstellung meines Portfolios habe ich mich gerade in einer Umbruchphase befunden. Weg von den flachen Malereien hin zu einer Form von Collagen-Malerei auf alten Gemälden von männlichen Schweizer Malern, die ich günstig irgendwo gekauft habe. Ich habe diese dann mit sehr farbigen Comicfiguren wie Pippi Langstrumpf übermalt. Ich wollte Kontraste setzen, Grenzen ausloten und wegkommen von einer starren, rein von Flächen und Rahmen eingeschränkter Malerei. So sind auch meine ersten grösseren Arbeiten mit Stoff und Formen entstanden.

Welche Rolle spielt denn nun so ein Preis?

Mit der Auszeichnung habe ich unter anderem 20‘000 Franken als Unterstützung für mein künstlerisches Schaffen erhalten. Ich habe aber auch eine gewisse Legitimation verspürt für das, was ich tue. Der Preis hat mir gezeigt, dass es Menschen in diesem Kosmos gibt, die an mich und meine Arbeit glauben, ja sie sogar fördern. Das hat mir den Mut gegeben, mich noch weiter zu entwickeln, weg von der Malerei hin zu Plastiken.  

Marvelous Withdrawals of Serendipity, more2hear&more2see4me, 2022 | epoxy cast, nightlight, metal | 13 x 60 x 17 cm.

Wie sieht deine Zukunft aus? 

Ich arbeite aktuell viel für meine Bachelorarbeit, produziere und experimentiere. Ich habe angefangen, Metall zu giessen, versuche neue Techniken zu erlernen und andere zu perfektionieren, sowie ein überzeugendes Konzept zu erstellen. Danach möchte ich mich mindestens ein Jahr auf Ausschreibungen
und Aufenthaltsstipendien fokussieren, um meinen Horizont zu erweitern und vielleicht auch im Ausland Erfahrungen zu sammeln.   


Luca Süss 

studiert Fine Arts an der Zürcher Hochschule der Künste. Süss ist in Winterthur und für zehn Jahre auf dem Land im Thurgau aufgewachsen. Seit sechs Jahren arbeitet Luca an eigenen Projekten. Begonnen hat Süss mit Malerei. Im Moment fokussiert sich Luca besonders auf Plastiken. 

2021 hat Süss den Niarchos Award for Young Arts erhalten und sich so noch während seines Studiums einen Namen in der Schweizer Kunstszene machen können. Luca arbeitet mit gefundenen Gegenständen, Glitzer und Kindheitsheld:innen, aber auch Stoff und Metall, greift queere Symbole und aktuelle gesellschaftliche Themen auf. 

2022 hat Süss für das Projekt Hotel Noël in Zürich ein Hotelzimmer gestaltet.

Luca Süss im Zimmer, das they für das Projekt Hotel Noël in Zürich gestaltet hat.

Nemo: Endlich frei

«I gloube das bisch du». Damit hat Nemo sich mit 18 in die Herzen der Fans gesungen und landete auf Platz 4 der Schweizer Hitparade. Mittlerweile ist Nemo 24, lebt in Berlin, singt Englisch und bezeichnet sich als nicht-binär – eine eigentliche Befreiung. DISPLAY hat Nemo in einem Berliner Café vor dem grossen Abenteuer ESC getroffen.

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