Drama King

Adam Lambert: Der König des Dramas spricht im DISPLAY-Exklusivinterview über seine Liebe, Sex, Boy George, geoutete Stars und das Älterwerden.

Adam Lambert brillierte 2009 in der Castingshow «American Idol», seitdem hat der offen schwul lebende Künstler eine gewaltige Karriere als Popstar und Sänger von Queen gemacht. Jetzt besinnt sich der 41-Jährige auf eine seiner Kernkompetenzen und veröffentlicht mit «High Drama» ein abwechslungsreiches Album mit Liedern von Kolleginnen und Kollegen wie Bonnie Tyler, Billie Eilish («Getting Older») oder Culture Club. 

Interview Steffen Rath

DISPLAY: Adam, wieso ein Album mit Coversongs?
Adam Lambert: Weil ich heiss darauf war, neue Musik rauszubringen. Parallel arbeite ich gerade an einem Musical, über das ich noch nicht viel erzählen kann. 
Gar nichts?
Nur, dass es auf der Lebensgeschichte eines Menschen im New York der Siebziger basiert, ich etwa 75 Prozent der Musik geschrieben habe und wir momentan am Drehbuch arbeiten. Aber das dauert noch, und ich dachte: Warum nicht ein wenig zurückgehen zu meinen Wurzeln? Schliesslich kam ich bei «American Idol» als Interpret fremder Songs in die Öffentlichkeit.

Hast du lange über der Auswahl der elf Songs gebrütet?
Meine ursprüngliche Liste war viel länger. Die Stücke mussten zwei Kriterien erfüllen: Ich muss Melodie und Text lieben. Und ich muss mich persönlich in den Geschichten, die hier erzählt werden, wiederfinden können. Alle diese Lieder könnten theoretisch auch von mir sein, denn sie spiegeln meine Lebenserfahrungen wider.

Adam und der Rock

Auch der Titel «High Drama» passt perfekt. Du singst dir förmlich das Herz aus der Brust.
Total. Ich liebe es, eine ordentliche Ladung Intensität in Songs zu injizieren. Selbst den zarten Liedern nähere ich mich auf diesem Album von der dramatischen Seite.

So wird aus Lana Del Reys sanftem «West Coast» bei dir ein Rockbrett.
Geil, oder? (lacht) Für mich ist das, was wir da treiben, Progressive Rock. Als ich Lanas Original hörte, spürte ich gleich diesen Blues-Einfluss in der Gitarrenarbeit. Und ich dachte: Das klingt ja wie Led Zeppelin. Diesen Geist des Songs haben wir freigelegt und uns dabei als Rocker ausgetobt. «West
Coast» ist meine Verbeugung vor Jimmy Page und Robert Plant. Seventies-Rock finde ich phantastisch.

Als Queen-Sänger, der du seit 2012 bist, wäre alles andere auch seltsam. Hast du dich bewusst gegen ein Queen-Cover auf «High Drama» entschieden?
Ja, das wäre mir zu redundant gewesen. Ich singe diese Songs seit zehn Jahren und liebe sie über alles, aber wir haben schon während Corona ein Live-Album rausgebracht. Die Leute wissen nun zur Genüge, wie ich Queen singe.

Du warst mit Queen letzten Sommer auf Tour. Wie geht es mit der Band weiter?
Wenn alle Bock haben und gesund bleiben, machen wir weiter. Ich liebe es, mit Queen zu singen. Wir sind längst eine Familie geworden.

Mit welcher Musik bist du eigentlich aufgewachsen?
Hauptsächlich mit Rock’n’Roll. Meine Eltern haben ständig ihre Vinylplatten gehört, Mum und Dad haben Motown genauso gern aufgelegt wie Rock. Ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie so einen guten Geschmack hatten.

Aber was hast du mit «Holding Out For A Hero» von Bonnie Tyler gemacht? Deine Aufnahme klingt viel mehr nach Pop als das Original.
Wir haben uns mit dem Stück eine grosse Interpretationsfreiheit gegönnt und einen Hybrid daraus gemacht. Jetzt hat es die Identität einer Glamrock-Nummer aus den frühen Seventies, gepaart mit modernen Beats und Synthesizern. 

Adams schwere Zeiten

Sias «Chandelier» ist bereits im Original hochdramatisch. Den Song in punkto Melodramatik noch zu toppen, kann nicht leicht gewesen sein.
In der Tat. Ich gehe echt in die Vollen, ausserdem haben wir eine elektrische Gitarre hinzugefügt. Ich liebe diesen Song über alles. Sia ist einfach brillant.

Die Leute denken, «Chandelier» sei ein Partysong. In Wirklichkeit geht es um Alkoholismus, psychische Probleme und Selbstzerstörung. Wo ist da die Verbindung zu dir?
Es gab in meinem Leben Zeiten, in denen ich kämpfte, litt wie ein Hund und alles andere als glücklich darüber war, wer ich bin. Dieses Gefühl habe ich mit Alkohol betäubt. Allerdings habe ich eine ganze Weile lang nicht bemerkt, wie dreckig es mir ging. Denn die meisten meiner Freunde legten damals ein ähnliches Verhalten an den Tag. Es war normal, sich selbst gegenüber total rücksichtslos zu sein. Das war eine üble Spirale nach unten.

Wann wurde dir klar, dass es so nicht weitergeht?
Kurz bevor ich mich bei «American Idol» bewarb. 2006 war ich komplett am Arsch. Ich ging viel zu viel aus, verlor mich in flüchtigen Begegnungen und Affären, trank zuviel und war auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, nach irgendeiner Berufung. Ich bin dankbar, dass ich dank «American Idol» zur Besinnung gekommen bin und eine Aufgabe gefunden habe, die mich ausfüllt und glücklich macht.

Adam und das Liebesglück 

Gelingt dir das Ausbalancieren von Beruf und Privatleben?
Ich lerne immer noch, wie ich diese Balance verbessern kann. Bei meinem Leben brauche ich ein bisschen Normalität. Ich habe lange gebraucht, um mir eine Basis zu schaffen, ein richtiges Zuhase. Am Anfang lief ich mal hierhin und mal dorthin, war vom vielen Reisen total aufgekratzt und kam kaum zur Ruhe. Ich mietete ein Haus nach dem anderen, nirgendwo blieb ich lange. Inzwischen habe ich mein eigenes Haus, was angenehm ist, und denke, dass ich ein bisschen sesshaft geworden bin. 

Lebst du mit jemandem zusammen?
Ja. Ich lebe mit meinem Freund Oliver Gliese und mit meinem Hund zusammen. Beide machen mich sehr glücklich (lacht).

Adam und das Coming-Out 

Du hast dir auch «Do You Really Want To Hurt Me», den ersten Nummer-Eins-Hit von Culture Club, vorgeknöpft. Der Sänger Boy George hat sich 1983 als bisexuell geoutet, zehn Jahre später als schwul. Ist er ein Vorbild für dich?
Niemand, der je ein Culture-Club-Video gesehen hat, hätte Boy George für heterosexuell gehalten (lacht). Boy und ich sind befreundet. Ich habe ihn immer bewundert für die Art, wie er sich gab, als er über Nacht in die Mainstream-Musikszene platzte. Damals war es noch komplizierter, sich sexuell als etwas anderes zu bekennen, als es der Norm entsprach. Ihm gelang das mit Witz, Charme und Poesie.
Er hatte immer seinen eigenen Stil und seine eigene Stimme. George war in vielerlei Hinsicht seiner Zeit voraus. Ich denke, er bekommt nicht den Respekt, der ihm gebührt für seine Verdienste rund um die queere Szene. 

Seit wann seid ihr Freunde?
2010 lernte ich ihn in London kennen. Er war DJ in einem Club, und wir kamen ins Gespräch. Er ist wirklich supercharmant. Ich bewundere ihn. Auch George hatte seine Kämpfe und seine Dämonen, er war einige Male am Boden und hat viel unternommen, damit es ihm wieder besser geht. Er hat Hilfe angenommen und an sich gearbeitet. Ich persönlich finde es wichtig, vergeben zu können. Wir alle machen Fehler, doch wir haben die Chance, aus unseren Fehlern zu lernen.

«Ich lebe mit meinem Freund Oliver Gliese und mit meinem Hund zusammen. Beide machen mich sehr glücklich»

Du warst 2012 mit «Trespassing» der erste offen schwule Künstler an der Spitze der US Albumcharts. Staunst du, wieviele Fortschritte gemacht wurden seit der Ära von Boy George, als es noch ein Tabu war, im Main­stream-Pop offen schwul zu sein?
Absolut. Wir haben allein im vergangenen Jahrzehnt viel erreicht. Sicher gab es queere Künstlerinnen und Künstler vor mir, und ich finde, dass lesbische Frauen wie Melissa Etheridge uns Männern ein bisschen den Weg geebnet haben. Ein Meilenstein war sicher auch Elton John, der sich outete, und George Michael, der in dieser Zeit geoutet wurde. Beide sind grosse Helden von mir. Als ich in die Popwelt kam, war alles schon offener, aber noch nicht vergleichbar mit heute. Ich war Teil einer Welle, die Queerness im Pop selbstverständlich gemacht hat. Heute sind viele LGBTQ+-Künstler*innen als erfolgreiche Marken etabliert.

George Michael quälte sich mit seiner Sexualität, Elton John hatte zeitweilig eine Ehefrau zur Tarnung. So etwas wäre heute wohl nicht mehr vorstellbar, oder?
Das weiss ich nicht, aber der gesellschaftliche Ton ist heute schon ein ganz anderer. Die junge Generation geht den nächsten Schritt und steckt mitten in einer Gender-Revolution. Die jungen Leute fühlen sich sehr frei dabei, herauszufinden und auszuprobieren, wer sie sind und was ihre Identität ist.

Adam im Film

Du bist demnächst auch als Schauspieler im von Sofia Coppola produzierten Film «Fairyland» zu sehen, der gerade beim Sundance Film Festival Premiere feierte. Was ist deine Rolle?
Der Film handelt von einem alleinerziehenden schwulen Vater in den Siebzigerjahren in San Francisco. Ich spiele einen seiner Boyfriends, kurz bevor Aids in der Stadt ausbricht. Als Teenager habe ich Musiktheater gespielt, und wenn es sich ergibt, würde ich in Zukunft gern noch mehr Filme machen.

In «Getting Older» singt die erst 21-jährige Billie Eilish darüber, gut zu altern. Wie steht der 41-jährige Adam Lambert zu dem Song?
Ich wollte unbedingt ein Lied von Billie singen, und «Getting Older» hat mich sofort angesprochen. Die junge Billie beschreibt auf zeitlose Weise, wie sich das Erwachsenwerden anfühlt. Ich selbst habe beschlossen, jetzt jedes Jahr aufs Neue Vierzig zu werden. Das ist das perfekte Alter, finde ich (lacht).    


Adam Lamberts Album «High Drama» ist jetzt im Handel.