Avantgarde, made in Switzerland

Stars wie Doja Cat und Paris Hilton haben bereits Reto Emmeneggers Designs getragen. Jetzt, nach Retos Masterstudium in Modedesign, steht der Launch seines eigenen Labels EMMBER an. DISPLAY hat den aufstrebenden Designer zum Gespräch getroffen.

Text Josia Jourdan

Ich treffe Reto im Tibits am Bahnhof Basel. Wir sitzen draussen, er ist unauffällig, aber stilsicher in Schwarz gekleidet und wir versinken in einem Gespräch, bevor ich die Tonaufnahme starten kann. Aufgewachsen ist er in Luzern. Schon mit sechs wusste Reto, dass er Designer werden möchte und hat seine gesamte schulische Karriere auch darauf ausgelegt, sowie in seiner Freizeit Erfahrungen
gesammelt und das Handwerk erlernt. 

Reto erinnert sich daran, wie er schon früh eigene Kleidungsstücke entworfen und genäht hat. «Als ich 15 war, habe ich mit einer Freundin dreimal eine Modeschau auf die Beine gestellt, mit eigenen Looks und ganzen Kollektionen». Er lacht und zuckt mit den Schultern. Die Leidenschaft ist spürbar, nach einer eigenen Kollektion für seine Maturarbeit hat es ihn für sein Modedesignstudium nach Basel gezogen. «Mode ist mein Medium», erklärt er. Nebst dem Designen, interessieren ihn auch die Fertigung, unterschiedliche Stoffe und Anfertigungstechniken.

Model: Denis Emmenegger im Latex Chaps-Kleid und mit Bean Bag. 

Vom Stardesigner entdeckt

Seine Ambitionen sind gross, aber sie scheinen realistisch. Sein Talent hat schliesslich schon Ludovic de Saint Sernin überzeugt. Er erinnert sich, wie er dem französischen Modeschöpfer per Zufall auf einer Stoffmesse begegnet ist, die  er für sein Studium besucht hat. «Ich habe ihm mein Portfolio gezeigt und er hat mich gleich gefragt, wann ich beginnen könne». Es scheint ein surrealer Moment gewesen zu sein. Angefangen hat er aber erst ein Jahr später, nachdem er seinen Bachelor abgeschlossen hatte. Ein halbes Jahr hat er für das Label in Paris gearbeitet und dabei nicht nur Erfahrung im Design und in der Fertigung sammeln können, sondern einen Einblick in die ganze Arbeitswelt eines Modehauses bekommen. 

 

Model: Ainoa Manzano im Night Vision-Seidenkleid, Latex-Socken und mit Mini-Halsschmuck. 

Doja Cat trägt Retos Werke

Ein besonderes Highlight waren die exklusiven Looks und Pieces, die er für Prominente entworfen hat. So zum Beispiel für die amerikanische Rapperin und Pop-Ikone Doja Cat, die in einem seiner handgefertigten Strassstein-Looks auf Instagram posiert. «Zu sehen, dass die eigenen Kreationen getragen werden, ist definitiv ein Highlight», betont Reto, wirkt aber in keiner Weise angeberisch. 

Nach seiner Erfahrung bei Ludovic hat es ihn zu einem der ganz grossen Häuser gezogen. «Ich habe bei Ludovic vor allem Menswear beziehungsweise Unisex-Sachen entworfen und wollte einen Einblick auf die andere Seite». 

Rapperin Doja Cat.

Engagement bei YSL

Er hat sich für eine Stelle bei Yves Saint Laurent beworben und dafür wieder einen direkten Kontakt gesucht. Dieses Mal aber über die Businessplattform LinkedIn. Reto Emmenegger weiss für sich und seine Ziele einzustehen und erinnert sich, wie er die Zusage für den Job bekommen hat. «Ich stand in Paris am Abend mitten im Rotlichtmillieu und habe zwischen Sexarbeiterinnen erfahren, dass ich für Saint Laurent designen werde». Ein halbes Jahr hat er für die Damen-Kollektion Entwürfe gezeichnet, drapiert und angepasst. Er erinnert sich gerne an die intensive Zeit, hat dann aber für sich realisiert, dass er zurück in die Schweiz will und hier die Modeszene beleben möchte.

Mit dem Ziel, ein eigenes Modelabel zu gründen, hat er sich mit seiner Geschäftspartnerin Samantha Graber als Duo für das Masterstudium in Basel beworben. «Wir wussten, entweder zusammen oder gar nicht. Wir ergänzen uns mit unseren Fähigkeiten», antwortet er auf die Frage, weshalb sie sich für ein Studium als Duo entschieden haben. In den letzten zwei Jahren haben sie so die Möglichkeit gehabt, gemeinsam einen Stil zu finden, Projekte anzugehen und eine Vision zu formulieren, die ihre eigene Marke EMMBBER prägen soll. Ende Juni haben sie ihre Abschlusskollektion in einer Runwayshow präsentiert und damit ihr Label lanciert.

Queer und divers

«Die queere Community und die Vielfalt sind für uns zentrale Themen», betont Reto und erklärt, dass er Mode machen möchte für Menschen, die sich mit Kleidung ausdrücken, die mit bestimmten Pieces ein Statement setzen und sich sexy fühlen wollen. Es geht dabei um Selbstliebe, darum, die eigene Persönlichkeit mit dem passenden Kleidungsstück oder Accessoire zu unterstreichen und um Sensualität. Zudem möchte das Designerduo wegkommen von Geschlechterstereotypen und klassischen Schönheitsidealen. Sie wollen mit Körperformen arbeiten, nicht mit Geschlecht. «Ein Kleidungsstück passt zu einem Körper oder nicht. Dabei ist die eigene Geschlechtsidentität nicht zentral», meint Reto. Viele seiner Entwürfe probiert er an sich selbst aus, schaut, wie sich seine Vision auf seiner eigenen Haut anfühlt und wie es im Spiegel aussieht. 

Impulsgeber Yannik Zamboni

Aktuell liegt Emmeneggers Fokus auf der ersten Kollektion und dem Launch des
Labels. Dabei gibt es vieles zu beachten. Für das Duo ist ein Sitz sowie die Produktion in der Schweiz wichtig und dies, obwohl die Schweizer Modeszene oft unterschätzt wird. Aber die Förderung in der Schweiz sei gut. Zudem liegt das Land nahe an Modemetropolen wie Mailand, Berlin und Paris. Zudem glaube er, dass mit der Bekanntheit und der aktuellen Medienpräsenz von Yannik Zamboni ein Signal gesendet wurde, dass die Schweizer Modeszene innovativ ist und international mithalten kann.

Model: Denis Emmenegger im Shearling-Kleid und mit Ohrring. Denis ist seit vielen Jahren Reto Emmeneggers Muse.

Zehn Fragen an Reto

Reto Emmeneggers

1. Welche Musik läuft bei dir? Dance
und Electro-Pop (Slayyyter, Shygirl, KAYTRANADA).

2. Drei Dinge, die du immer dabei hast: Carmex Lippenbalsam, Handy und AirPods.

3. Was erträumst du dir für dein Leben? Glücklich und leidenschaftlich jeden Tag anzugehen. 

4. Wie verbringst du eine Freitagnacht? Mit einem Glas Prosecco in guter Gesellschaft.

5. Deine grösste Liebe? Die Ästhetik.

6. Deine grösste Angst? Zu wenig Zeit für meine Liebsten aufwenden zu können.

7. Was bedeutet Zuhause für dich? Mein Partner.

8. Was hält dich nachts wach? Meine ToDo’s, ich denke konstant an die Kollektion.

9. Etwas Simples, das Freude in dir auslöst? Ein Telefonat mit Mami.

10. Mit welchem Fashion Piece unterstreichst du deine Persönlichkeit? Eine schwarze Sonnenbrille.

Infos: emmber.world


Auftritt an der Mode Suisse 

Ein erster Teil der Kollektion wurde an der Mode Suisse präsentiert und sollte einen Eindruck für die Stilrichtung der ersten Kollektion geben. Reto hat regelmässig mit Latex gearbeitet, das Material fasziniert ihn. Dabei geht es vor allem darum, es neu zu interpretieren. Latex ist mehr als Fetisch und hauteng. 

Seine Geschäftspartnerin dagegen fokussiert sich auf Accessoires und Schmuck. Die Zusammenarbeit inspiriert ihn, der Austausch ist wertvoll. Beide sind mit Bezug zur Natur gross geworden und von diesem Gefühl der Verbundenheit mit der Umwelt, fliesse einiges in die Kreation ihrer Kleidung. «Mein Vater ist Jäger, Samanthas Mutter ist im Dschungel aufgewachsen. Die Natur ist so vielfältig und reich an Inspiration», meint er und erklärt, dass es nicht darum geht, einzelne Motive aus der Natur in ihrer Kleidung zu reproduzieren, sondern ein grundsätzliches Gefühl zu transportieren und nicht nur rein urban zu denken. 

Nachhaltigkeit und hochwertige Materialien sind für die beiden essenziell. Dass das seinen Preis hat, weiss Reto. Er glaubt jedoch, dass ihr Label eine Klientel finden wird, die bereit ist, für Qualität, Nachhaltigkeit und Extravaganz zu zahlen.

Model: Denis Emmenegger in Latexhose, Hüftkette und mit Maxi-Halsschmuck, inspiriert von einem Türgriff.

Reto ist aufgeregt und voller Vorfreude auf die kommenden Monate. Ein eigenes Label ist ein grosser Schritt, aber er hält es für den richtigen Zeitpunkt. «Je mehr ich jedoch an eigenen Designs arbeite und mich beruflich mit Mode auseinandersetze, desto weniger möchte ich mich mit der Kleidung, die ich trage, befassen», meint er schulterzuckend. Natürlich lasse er es sich nicht nehmen, zu besonderen Anlässen auch etwas Besonderes zu tragen. Aber im Alltag sei das nicht die Priorität, er kreiert lieber. 

Zudem kreisen seine Gedanken im Moment hauptsächlich um den Launch, die ganze Planung und Entscheidungen, die es zu treffen gibt. EMMBER wird im Herbst 2023 online gehen.   

Bilder Jana Jenarin