Kultdarsteller Udo Kier spielt eine alternde Diva in «Swan Song».Er stand für Warhol vor der Kamera, hat mit Fassbinder, Gus van Sant oder Lars von Trier gedreht und gab in Blockbustern wie «Blade» oder «Armageddon» den Bösewicht.
In mehr als 200 Filmen hat Udo Kier gespielt, nun brilliert er als durchgeknallter Friseur in «Swan Song». DISPLAY-Mitarbeiter Dieter Osswald kennt Udo seit Jahrzehnten, hat ihn häufig zu amüsanten Interviews getroffen. Aus aktuellem Anlass ein Best of Udo:
DISPLAY: Udo, du hast beim Filmfest München eine Auszeichnung für dein Lebenswerk
bekommen. Welchen Stellenwert haben Preise für dich?
Udo Kier: Preise für das Lebenswerk sind befremdlich, aber mit dieser Auszeichnung befinde mich ja in guter Gesellschaft von Michael Caine und Mario Adorf. Würde man mir den Preis «Euro Trash» verleihen, nähme ich den auch dankend an. Preis ist Preis, egal ob das eine Filmrolle ist, aus der Blut fliesst oder eine Johnny Walker-
Flasche. Meine Preise stehen übrigens auf der Toilette – da werden sie von den Gästen am besten gesehen!
Du warst die Muse von Warhol und wurdest von David Hockney gezeichnet – wie ist dein Verhältnis zur Kunst?
Ich bin kein Sammler. Ich habe schöne Sachen von Künstlern geschenkt bekommen oder mir
einen Magritte und Giacometti gekauft, als diese noch billig waren. Wenn ich in meinem Wohnzimmer auf die Wand schaue, befindet sich rechts oben ein bunter «Indianer» von Warhol mit der Signatur «For Udo with Love». Daneben hängt mein Porträt von Robert Mapplethorpe. Es geht weiter mit David Hockney oder Sigmar Polke – aber dazwischen hängen auch Bilder für 8 Dollar, die ich schön fand. Schaue ich mir beim Kaffee diese Bilder an, dann geht es mir gut.
Ist Kunst schöner als Sex?
Soweit gehe ich nun nicht. Ich habe keinen Orgasmus, wenn ich ein Bild anschaue – auch keinen intellektuellen! Ich umgebe mich einfach gern mit schönen Bildern und Möbeln.
Gibt es einen Liebling unter deinen Filmen?
Zunächst muss man festhalten, dass von 200 Filmen die Hälfte schlecht war. 50 davon kann man sich anschauen und 50 sind gut. Mein Liebling ist Andy Warhols «Dracula», der wurde mit nur 300’000 Dollar in drei Wochen gedreht, aber er ist kunstvoll gemacht. Ein anderer Favorit ist «Narziss und Psyche» von Gébór Body – den kennt allerdings kein Mensch mehr.
Mit welchem Gefühl siehst du dich selbst auf der Leinwand?
Das tut eher weh als dass es eitel stimmt. Schliesslich sieht man nicht mehr so aus, sondern ist ein, zwei Jahre älter geworden. Am Anfang deiner Karriere bist du stolz, sammelst alle Zeitungsartikel und zeigst sie auch jenen, die sie gar nicht sehen wollen. Aber im Laufe der Zeit wird man kritischer. Weil man auch immer mehr von sich fordert.
Bist du auf «Private Idaho» nicht stolzer als auf Popcorn-Filme à la «Blade»?
Nicht alle Filme, die ich gedreht habe, sind museumsreif. Aber von jedem Regisseur lernt man etwas. Für mich ist jeder Film ein Erlebnis: ob ich jetzt Pamela Anderson an die Hüften fasse oder Madonna, oder ob ich mit Arnold Schwarzenegger Bomben werfe, das ist alles spannend. Ich will vor allem eine gute Zeit haben beim Drehen. Mit kommerziellen Filmen habe ich kein Problem.
Die Karriere war dir ja nicht gerade
in die Wiege gelegt…
Ich bin ohne Vater aufgewachsen, im kriegszerstörten Köln war das kein Zuckerschlecken. Bis zum 17. Lebensjahr musste ich mich mit kaltem Wasser waschen. Heute unvorstellbar. Aber so eine Erfahrung prägt und gibt einem Stärke. Ich lebe auch in Los Angeles bewusst in einem Arbeiterviertel und nicht in Hollywood. Wie war die Zusammenarbeit mit Rainer
Werner Fassbinder?
Von Fassbinder habe ich mehr fürs Leben gelernt als für die Leinwand. Er war ein absoluter Wahrheitsfanatiker. Wir haben oft das Spiel der Wahrheit gespielt. Das Spiel geht so, dass jede Person in einer Gruppe auf alle Fragen ehrlich antworten muss. Das kann böse werden, wenn man etwas über jemanden weiss und das ausnützt. Ich war wohl der langjährigste Freund von Fassbinder. Wir lernten uns in einer Arbeiterkneipe in Köln kennen, er war 16,
ich 17.
Trauerst du den wilden Zeiten von damals nach?
Die Zeiten waren längst nicht so wild, wie es dargestellt wird. Fassbinder, der war wild. Aber Warhol überhaupt nicht. «Dracula» und «Frankenstein» war konzentrierte Arbeit. Alkohol und
Drogen waren bei den Dreharbeiten verboten. Aber ich lebe nicht in der Vergangenheit. Ich weiss ja jetzt schon, dass ich als Schauspieler in den Geschichtsbüchern stehen werde. Und ich will mindestens noch 50 Filme machen.