ENDLICH FREI!

Es war ein Paukenschlag. Ein Fussball-Schiedsrichter outet sich in den Medien: Pascal Erlachner. Der 37-Jährige gehört in der Schweiz zur Topliga der Schiris. DISPLAY sprach mit Pascal über die Motive seines Coming-outs. 

Text Christian Waefler, Bild SRF/Benjamin Soland

«Zuhause», so Pascal Erlachner, «kämpfte ich lange mit mir, bevor ich mich mit 30 Jahren per SMS den Eltern offenbarte. Zum Glück reagierten sie verständnisvoll».
Dieses Coming-out im Privaten war eine erste Befreiung für Pascal. Dann ging es Schritt für Schritt vorwärts. Schliesslich sagte er es den Schiedsrichterkollegen, die die Neuigkeit auch positiv aufnahmen – es war in einem Trainingslager in Spanien.
Nur bei den Spielern war er noch nicht geoutet – bis jetzt. «Im Fussball», bedauert Pascal, «ist Homosexualität immer noch ein grosses Tabu».

JUNGE ZUR OFFENHEIT ERMUTIGEN |
Was war denn das Motiv von Pascal, sich nun ganz öffentlich zu outen? Er wollte damit Bewusstsein für das Thema Schwule im Fussball schaffen, und er hat noch ein ethisches Motiv: «Wenn ich auch nur einem jungen Schwulen Mut gemacht habe, bin ich schon zufrieden.»
«Es ist schwierig, sich im Fussball zu outen», so Pascal, «weil man unter 20 starken Typen ist, weil man sich da behaupten und den harten Typ markieren muss auf dem Feld». Eine Machowelt.
«Anderseits», sagt Pascal, «wenn ein Goal fällt, dann umarmt und küsst man sich – aber da ist es für gewisse Spieler schwierig, wenn ein Schwuler da mitmacht . . . Dazu kommt die Angst, als offen Schwuler nicht Karriere machen zu können» – denn es geht um die Akzeptanz der Fans und die Werbeaufträge.

VERLIEBT IN EINEN KOLLEGEN |           
Gut, Pascal hat den Schritt nun vollzogen und «glücklicherweise», so der Schiri, «werde ich von offizieller Seite, vom Fussballverband, unterstützt».
Ein Grund für Pascals öffentliches Coming-out war auch das Doppelleben: «Wenn die Kollegen mit einem in den Ausgang wollen, um Frauen aufzureissen, kommt man in eine schwierige Situation. Auch habe ich mich ab und zu in einen Kollegen verliebt und musste dann sehen, wie er mit einer Frau ausgeht . . .»
Warum das Outing mit einem Paukenschlag, also in einem Dokfilm im Fernsehen SRF? (siehe Box unten rechts) Das hat mein Freund Roman Kilchsperger eingefädelt. Die Sendung ist nicht reisserisch, wie vielleicht in einem Printmedium, sondern sehr ausgewogen. Ich werde als Mensch in allen Facetten dargestellt – auch wie ich mit meinem Schatz koche . . .»

WIE WERDEN DIE FANS REAGIEREN? | 
So ein Schritt kann ja ein Risiko sein, natürlich stärker für einen Spieler, als für einen Schiri. Werden ihn die Spieler akzeptieren? Pascal hat Respekt vor der
Situation, ist aber zuversichtlich und glaubt an einen guten Ausgang. Das Umfeld im Fussball sei professionell fokussiert und man habe als Spieler ganz andere Probleme als die geschlechtliche Orientierung eines Kollegen.
Läuft er nicht Gefahr, vielleicht auf äusseren Druck hin, nicht mehr pfeifen zu dürfen? «Nein, das kann ich mir nicht vorstellen», so Pascal.
Und die Fans? Werden sie ihn akzeptieren? Auch da ist Pascal zuversichtlich. Falls in einem Stadion von zehntausend Zuschauern ein paar Fans reklamieren würden, wäre das marginal.

HARTER KONKURRENZKAMPF |  
Warum gibt es das Gerücht, Fussball sei nichts für Schwule – eher das Ballett? Als Fussballer auf dem Platz muss man um den Ball kämpfen, muss zeigen, wer man ist, man steht in einem harten Konkurrenzkampf untereinander – und nach dem Match geht’s in die Dusche . . .
Es ist zu hoffen, dass Pascals mutiger Schritt andere Fussballer motiviert, sich zu öffnen und schwule Kicker in Zukunft ganz normal sind. ||

In seinem Element. Profi-Schiri Pascal Erlachner SRF/Benjamin Soland

DER MANN MIT DER PFEIFE

Der Schiedsrichter

Pascal Erlachner, 37, lebt mit seinem Freund in Wangen bei Olten. Er ist Sekundarlehrer und er ist auch
noch im Gemeinderat – zuständig für Jugend und Sport.

Der SRF-Film über Pascal Erlachner

Den DOK «Ich, der Schiedsrichter und Tabubrecher» von Dani Heusser und Olivier Borer kannst du hier anschauen: Ich, der Schiedsrichter und Tabubrecher