Wenn der Testosteronspiegel sinkt – die Midlife-Krise bei Männern.
Was die Andropause mit uns anstellt.
Text Mathias Steger
Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht – es ist eine Tatsache: Irgendwann beginnt bei allen Männern der Testosteronspiegel zu sinken. Doch was bedeutet das genau? Kann es in diesem Zusammenhang zu einer Midlife-Krise beim Mann kommen und wenn ja, was kann dagegen getan werden?
Die Wechseljahre werden in der Gesellschaft meist mit Frauen in Verbindung gebracht. Doch auch Männer stehen in der «Mitte des Lebens» vor besonderen Herausforderungen – nämlich, wenn in der Andropause der Testosteronspiegel sinkt, was bei allen irgendwann der Fall ist.
Schleichender Prozess ab 40
Medizinisch wird das Phänomen als «Klimakterium Virile» oder als Andropause bezeichnet. «Die Andropause ist bei Männern nicht so klar abgrenzbar wie bei Frauen, sie beginnt etwa ab dem 40. Lebensjahr. Ab diesem Zeitpunkt sinkt der Testosteronspiegel langsam um rund 0,4 bis 1 Prozent pro Jahr. Dabei handelt es sich in der Regel um einen schleichenden und vor allem individuellen Prozess», erklärt Dr. med. Michaela Mack, Fachärztin für Urologie am Zentrum für Urologie Zürich der Klinik Hirslanden.
Urologin Michaela Mack: «Die Andropause beginnt etwa ab dem 40. Lebensjahr.»
Diese Abnahme des wichtigsten männlichen Sexualhormons ist ein natürlicher Vorgang und bedeutet per se nichts Schlimmes, denn bei einem Grossteil der Männer kommt es zu keinen Beschwerden. Problematisch kann es bei einem Testosteronmangel werden. «Bei ungefähr 2 bis 6 Prozent der Männer treten Symptome auf, darunter Schlafstörungen, Libidoverlust, Erektionsstörungen, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Schweissausbrüche, Verlust von Muskelmasse bis hin zu depressiver Verstimmung. Am häufigsten sind Erektionsstörungen und eine Abnahme der Muskelmasse», so die Urologin. Frauen haben hier das schlechtere Los gezogen, denn durchschnittlich leiden drei von vier Frauen in den Wechseljahren unter Beschwerden wie Hitzewallungen oder Stimmungsschwankungen.
Eine Partnerschaft kann helfen
Neben den körperlichen Beschwerden kann die Midlife-Krise bei Männern auch psychische Auswirkungen mit sich bringen. Laut dem Zürcher Psychotherapeuten Felix Hof erleben Betroffene in diesem oft schwierigen Lebensabschnitt unter anderem innere Leere, Selbstzweifel, Stimmungsschwankungen oder eine Sinnkrise. Die persönliche Situation sowie die allgemeine Zufriedenheit im Leben spielen dabei eine wesentliche Rolle. Hof betont, dass Männer, die sich in einer Partnerschaft geborgen fühlen oder beruflich und privat zufriedener sind, in der Regel weniger stark von der Midlife-Krise betroffen sind.
Psychotherapeut Felix Hof:«Die Bereitschaft, den bisherigen Lebensentwurf kritisch zu hinterfragen, ist oft erfreulich hoch.»
Bei schwulen Männern, die keinen festen Partner haben oder auf Partnersuche sind, könne dem Experten zufolge der Mangel an einer stabilen Beziehung die Krise verstärken. Dennoch ist er der Ansicht, dass homosexuelle Männer nicht häufiger betroffen sind als heterosexuelle.
«Meine beruflichen Erfahrungen mit männerliebenden Männern in einer Midlife-Krise sind durchgehend positiv. Die Bereitschaft, den bisherigen Lebensentwurf kritisch zu hinterfragen, ist oft erfreulich hoch», fügt Hof hinzu und betont, dass sich besonders homosexuelle Männer möglicherweise in dieser Phase mehr Zeit nehmen, um ihr Leben neu zu definieren.
Ein gesunder Lebensstil kann die Beschwerden verringern
Wir selbst haben einen wesentlichen Einfluss auf einen möglichst beschwerdefreien Verlauf dieser Lebensphase. «Ein ausschweifender Lebensstil, Stress und nicht ausreichend Schlaf sind kontraproduktiv», erklärt Michaela Mack. «Dem gegenüber ist ein gesunder Lebensstil förderlich. Ausreichend Bewegung, sportliche Aktivitäten, genügend Schlaf sowie eine gesunde Ernährung tragen wesentlich zur Erhöhung des Testosteronspiegels bei.»
Wann eine Therapie sinnvoll ist
Sowohl die Urologin Mack als auch der Psychotherapeut Hof sind sich darin einig, dass bei auftretenden Symptomen eine frühzeitige Konsultation von Ärzt:innen oder Therapeut:innen ratsam ist. «Eine psychologische Betreuung oder psychotherapeutische Behandlung ist dann dringend erforderlich, wenn die Alltagsbewältigung nicht mehr funktioniert, der Leidensdruck zu gross wird und die sozialen Bezüge erschüttert werden, respektive das soziale Umfeld mit dem veränderten Verhalten nicht mehr umgehen kann», erklärt Hof.
Dr. Mack betont die Bedeutung der medizinischen Versorgung, wenn der Körper zu wenig Testosteron hat: «Bei Testosteronmangel können Therapien helfen, den Hormonspiegel wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Dabei wird Testosteron verabreicht – in der Regel mit Spritzen, manchmal mit Gels.»
Auch wenn jeder Mann irgendwann von der Abnahme des Testosteronspiegels betroffen ist, so können wir Männer uns glücklich schätzen, dass nur eine Minderheit von uns Beschwerden hat. Wer gesund lebt, sich selbst reflektiert, mit dem Thema offen umgeht und bei Bedarf Hilfe annimmt, kann diese Lebensphase gelassener erleben.
Der Comic zum Thema
Comic-Zeichner Ralf König hat sich auf kluge und sehr unterhaltsame Art mit der Panik rund um die Andropause auseinandergesetzt. Sein einst dauerläufiger Held Paul merkt mit Schrecken, dass er ab 48 endgültig älter wird. Die Haare werden grau, die Sehkraft lässt nach – und sogar die Libido! Was nun?
▶ Ralf König: Herbst in der Hose. Rowohlt.