Hallo Tim, Mein Freund kann einfach nicht über seine Krankheit sprechen, obwohl ich und unsere Kollegen davon wissen. Warum tun wir Männer uns so schwer, wenn es um die Frage geht, wie es uns gesundheitlich geht?
Ist dieses Schweigen nicht sogar krankmachend? Zum Glück standen in letzter Zeit einige Promis wie Justin Bieber, Bruce Willis oder Ashton Kutcher zu ihren Krankheiten. Vielleicht hilft ihm dies ja weiter?
Etienne (45)
Hallo Etienne
Über Krankheiten offen reden zu können, setzt voraus, dass man über seine Gefühle und Empfindungen reflektieren und sprechen kann. In der Regel tun sich Frauen damit leichter als Männer. Oftmals sind hierin allerdings schwule Männer den Frauen ähnlicher als den Hetero-Männern. Aber natürlich gibt es auch unter uns Schwulen Männer, die sich mit Offenheit schwertun, wenn es um Persönliches geht.
Krankheit als «Niederlage»
Das antiquierte Verständnis von einem «richtigen» Mann, also was einen Mann zu einem «echten» Kerl macht, ist denn auch die eine Möglichkeit, warum solchen Männern etwa das Reden über ihre Krankheit schwerfällt. Umgekehrt reden sie aber noch so gerne über ihre Heldentaten und fantasieren dabei gerne oben drauf noch ein Geschichtchen hin-zu. Doch wenn es um (vermeintlich) Negatives geht, verdrängen sie die Konfrontation damit tunlichst.
Ganz besonders schwer fällt es dann, über psychische Probleme zu sprechen. Nicht selten verbergen sich denn auch hinter körperlichen Krankheiten seelische Aspekte. Oftmals unterbewusst ist dies ein wichtiger Grund, nicht darüber zu sprechen. Dabei gebe ich dir in deiner Vermutung recht, dass Schweigen an sich – vor allem über einen längeren Zeitraum hinweg – krankmachend ist.
Nebst diesem toxischen Verständnis eines heroischen Männlichkeitsbildes, gibt es im Weiteren die Option, dass jemand in seiner kindlichen oder jugendlichen Entwicklung mit seiner Offenheit schlechte Erfahrungen machte. Vielleicht wurde er in seinen Gefühlen und Empfindungen nicht ernst genommen oder gar verlacht. So ist es natürlich naheliegend, sich vor weiteren Enttäuschungen dadurch zu schützen, dass man möglichst nichts Persönliches über sich mitteilt.
Vorbilder sind im Leben etwas ganz Wichtiges. Schön, dass heute immer mehr Promis über sehr persönliche Belange offen sprechen, sich etwa outen oder aber über ihre psychischen Probleme und Krankheiten reden. Der Einfluss von Promis ist jedoch kleiner als der Einfluss des persönlichen Umfelds.
Öffne dich selbst
Wie kannst du also deinen Freund animieren, über das zu reden, was – wie du schreibst – sowieso im engsten Kreis bekannt ist? Sei ihm ein Vorbild und rede mit ihm ganz offen über deine Probleme und Sorgen. Dies ist zwar noch keine Garantie, dass er sich ebenfalls öffnen wird. Doch mindestens erleichterst du ihm damit den Weg.
Herzlich, Tim