Metal God Rob Halford über seine inklusive Vision von Judas Priest, Donald Trumps Homofeindlichkeit und den Schwachsinn, den viele Fundamentalisten verbreiten.
Schwule Donnerstimme
Rob Halford von Judas Priest gehört seit rund 50 Jahren zu den populärsten Heavy-Metal-Sängern. Seine Fähigkeit, mühelos zwischen einem kehligen Growl und einem ohrenbetäubenden Falsett wechseln zu können, brachte ihm den Beinamen «Metal God» ein. Das 73-jährige Mitglied der Rock and Roll Hall of Fame ist auch ein populäres Sprachrohr der LGBTQ-Community. Im Gespräch mit DISPLAY erklärt er, wie Metal-Musik die unterschiedlichsten Menschen zusammenbringen kann, wie Judas Priest einmal von evangelikalen Christen verklagt wurden und was man vom neuen Papst erwarten sollte.
Interview Olaf Neumann
DISPLAY: Mr. Halford, Sie beschreiben Judas Priest-Shows als einen eskapistischen Moment der Inklusivität. Was macht Ihre Konzerte besonders?
Rob Halford: Wir alle nehmen Musik auf einer persönlichen Ebene wahr. In einer Live-Show wird dieses Gefühl noch viel stärker. Und lassen Sie uns über Inklusivität sprechen. Als schwuler Mann bin ich ein starker Befürworter davon, dass alle Arten von Menschen zusammenkommen und ein Konzert geniessen. Das ist Inklusivität nicht nur auf sexueller Ebene, sondern auf der ganzen Linie. Denn wir leben immer noch in einer Gesellschaft, die Menschen etikettiert: Schöne Menschen, hässliche Menschen, dicke Menschen, dünne Menschen, verschiedene Hautfarben, verschiedene Arten von Religion. Es ist verrückt, wir schreiben das Jahr 2025 und sind in so vielen Bereichen des Lebens immer noch rückständig. Das ist es, was ich meine, wenn man eine Judas Priest-Show besucht. Da ist so viel integrative Kraft im Spiel.
Sie leben in den USA, wo Präsident Trump LGBTQ-Rechte abbaut. Wie gehen Sie damit um?
Auch wenn die US-Verfassung nicht ausdrücklich LGBTQ-Personen abdeckt, gilt sie doch für alle Menschen, denn sie ist ein mächtiges Dokument. Als die Gründungsväter es schrieben, haben sie nicht an Homosexuelle gedacht. Sie haben gesagt, dass es um das Volk geht. Und der Begriff «Volk» schliesst niemanden aus. Wenn US-Politiker also sagen, dass sie dieses und jenes tun werden, ist das nicht so einfach umzusetzen, denn es geht immer von Bundesstaat zu Bundesstaat. Es wird erst dann zu einem echten Problem, wenn es vor den Obersten Gerichtshof kommt. Ich bin ein verheirateter Mann, und das könnte für mich problematisch werden, weil es in Amerika eine so starke Bewegung gibt, die die Dinge ändern will. Aber so ist die Politik nun einmal.
Wurde die Show, die Sie jetzt in Europa präsentierten, von Ihnen neu konzipiert?
Natürlich, wir feiern «Painkiller», eines der berühmtesten Judas Priest-Alben. Es hat 35 Jahre auf dem Buckel. Wir spielten auch Songs von «Invincible Shield», unserem letzten Werk, sowie von «Angel of Retribution». Das war vor 20 Jahren unser Reunion-Album. Man fühlt sich demütig und ist dankbar, dass diese Alben immer noch von den Fans geliebt werden. Eine Priest-Show ist jetzt ein Ereignis, weil man da eine der am längsten lebenden, funktionierenden und relevanten Heavy-Metal-Bands der Welt sieht.
Laut einer amerikanischen Studie übertreffen Musiker die allgemeine Lebenserwartung um
38 Prozent. Lässt einen dieser Beruf langsamer altern?
Sehen Sie mich an: Ich werde dieses Jahr 74 Jahre alt. Wir sind alle gesegnet. Wirklich cool ist, dass einige der mächtigsten Acts in der Musik immer noch stark sind: die Rolling Stones, AC/DC, natürlich Judas Priest, die Scorpions, Deep Purple, Bruce Springsteen. Wir sind die letzten der Giganten im Rock und Metal. Also kommt und seht uns jetzt, denn wir wissen nicht, wie lange wir noch spielen können. Wenn Sie vor 50 Jahren zu mir gesagt hätten: «Rob, du wirst mit 74 mit deinen Kumpels in Hannover sein und einen tollen Abend haben», hätte ich geantwortet: «Was rauchst du, was trinkst du, das ist eine verrückte Idee!». Aber das, was einem die Musik ermöglicht, ist ein Segen. Eine Band ist wie eine Grossfamilie. Deine Fans sind die Lebensquelle. Musik hält dich jung, Musik hält dich aufrecht. Sie ist ein wirklich wichtiger Teil des Lebens.
Sony hat eine neue Dokumentation über Judas Priest angekündigt. Unter der Leitung von Regisseur Sam Dunn gibt Rage Against The Machine-Gitarrist Tom Morello sein Regiedebüt. Hat Morello einen anderen Blick auf Sie und Ihre Band?
Ja, denn dies ist eine andere Art von Dokumentation. Ich will aber nicht zu viel verraten. Es ist ein interessanter Blickwinkel, den Tom und Sam Nunn von Banger Films eingenommen haben. Genau das hat uns an dem Projekt gereizt, denn es ist anders als das, was man normalerweise erwartet. Tom Morello ist ein wunderbarer Kerl. Er ist so ein kluger Mann, sehr intellektuell, sehr philosophisch, und ein Aktivist. Er erfüllt also alle Kriterien und verehrt Judas Priest. Jeder war also am richtigen Platz, um die Aufgabe zu erfüllen, die es zu erfüllen galt. Wir freuen uns darauf, dass der Film später in diesem Jahr veröffentlicht wird.
Der Film ist nach einem Song von Bob Dylan benannt, «The Ballad Of Judas Priest». Das ist sicher kein Zufall, oder?
Es ist so cool, dass dieser Songtitel von Dylan endlich im Zusammenhang mit uns erscheint, denn von ihm stammt schliesslich der Name der Band. Ich würde mich freuen, wenn Bob die Dokumentation irgendwann sehen würde und ich ihm dann sagen könnte: «Judas Priest gibt es nur deinetwegen, Bob Dylan!» Ich habe mir neulich ein paar Dylan-Filme angesehen. Er ist ein Gott der Musik – und er arbeitet immer noch. Ein weiterer Mann, der allen Widrigkeiten trotzt und einfach da draussen Musik spielt und seinen Fans seine ganze Kunst gibt.
Bob Dylan war also auch für Sie als Heavy Metal-Musiker eine Inspiration?
Seine Art, Songs und Texte zu schreiben, hat mich inspiriert. Für mich sind Bob Dylans Texte Diamanten. Alle Texter mögen die Art und Weise, wie er seine Zeilen zusammensetzt – oder die Songschreiber Neil Young und Bruce Springsteen. Sie haben eine gross-
artige Art, eine Geschichte mit einer Botschaft zu
erzählen. Bob Dylan ist definitiv einer der Könige auf diesem Gebiet. Deshalb ist er für mich ein Vorbild, wenn es darum geht, nach Worten zu suchen, die ich in Judas Priest-Songs verwende.
In den 1980er Jahren mussten sich Metal-Bands immer wieder erklären, weil Rechtskonservative und evangelikale Christen meinten, Acts wie Judas Priest würden den Satanismus verbreiten. Hat es auch ein bisschen Spass gemacht, diese Leute zu ärgern, indem Sie in Ihrer Kunst immer wieder dämonische Bilder einsetzten?
Man musste damals vorsichtig sein, denn kleine Gruppen von Leuten konnten und können eine Menge Aufmerksamkeit erregen, nur weil sie viel Lärm machen. Ich glaube nicht, dass wir uns jemals über die genannten Leute lustig gemacht haben. Wir waren klug genug, um zu verstehen, dass diese Gruppen sich von dieser Art von Reaktion ernähren. Je mehr man auf sie eingeht, desto mehr Gelegenheit haben sie, heftig zu reagieren. Es ist viel besser, zu versuchen, sie zu ignorieren und sich zurückzuhalten.
«Ich persönlich habe mich immer von der Negativität ferngehalten. Sie ist
gefährlich und erzeugt eine Menge schlechter Gefühle,
schlechter Schwingungen.»
Judas Priest sahen sich in Nevada mit einer Anklage konfrontiert. Angeblich wäre die Band verantwortlich dafür, dass sich 1985 zwei Jugendliche das Leben genommen hatten. Am Ende wurde die Band jedoch freigesprochen.
Über die schrecklichen Dinge, die uns beim Gerichtsverfahren in Reno vorgeworfen wurden, sprechen wir in der neuen Dokumentation, über rückwärts geschriebene Botschaften und das Reden über Satan und Luzifer. Das ist alles Blödsinn! Das Ganze war ein Angriff auf unsere Fähigkeiten als intelligente Musiker! Es war eine verrückte Zeit. Prince und Sheena Easton wurden ebenfalls angegriffen. Völlig verrückt, wenn man heute darüber nachdenkt. Was war da bloss los? Solche Vorfälle scheinen meist in den USA vorzukommen. Aber Amerika wäre eigentlich ein sehr schönes Land, ungeachtet der Dinge, die in der Trump-Ära in den Schlagzeilen stehen. Es ist ein schönes Land mit schönen Menschen.
Jetzt haben wir einen amerikanischen Papst. Welche Hoffnungen setzen Sie in Leo XIV?
Franziskus habe ich geliebt für das, was er getan hat. Papst zu sein ist ein sehr schwieriges Amt, auch wegen der Fundamentalisten. Man muss versuchen, so viele Menschen zu beschwichtigen und trotzdem unabhängig zu bleiben. Der neue Papst wird hoffentlich das wahre Evangelium von Jesus Christus verbreiten, das da lautet: Liebt alle Menschen! Jesus hat ja nicht gesagt: Liebt alle, ausser den Schwulen. Er hat auch nicht gesagt: Liebt alle, ausser den Schwarzen. All diesen Unsinn, den Leute von aussen in die Heilige Schrift hineininterpretieren. Da ist von Blasphemie die Rede.
Musiker werden beschuldigt, gotteslästerlich zu sein. Das ist völliger Unsinn! Die Blasphemie kommt aus theologischen Kreisen. Aber ich hoffe schon, dass Leo XIV. gute Arbeit leisten wird.
«Der neue Papst wird hoffentlich das wahre
Evangelium von Jesus Christus verbreiten,
das da lautet: Liebt alle Menschen! Jesus hat ja nicht gesagt: Liebt alle, ausser den Schwulen.»
Ist das System demokratischer Ausgleichsmechanismen (der «checks and balances») stark genug, um auch antidemokratische Herausforderungen beantworten zu können?
Ich denke, es gibt genug Sicherheitsvorkehrungen, um für alle zu sorgen. Wenn Wahlen das wichtigste Mittel sind, um Menschen an sich zu binden, dann sagen Politiker halt, was man sagen muss. Ich beobachte das in ganz Europa. Die Politik mischt sich auch in die Kunst ein, denn Musik bedeutet Freiheit. Musik ist Kreativität ohne Grenzen, Regeln oder Barrieren. Wenn wir da hineingezogen werden, ergibt das eine wirklich interessante Debatte. Aber ich persönlich denke, dass wir in Bezug auf das, was in Amerika passieren könnte, in einer starken Position sind.
In der Welt von heute mit so viel Trennendem – bringt da Kunst die Menschen zusammen, trotz gegenläufiger politischer Überzeugungen?
Ja, absolut. Wenn man zu einem Konzert geht, trifft man dort auf unterschiedliche Leute mit unterschiedlichen politischen Überzeugungen, denn die spielen in dem Moment keine Rolle. Die Leute kommen zusammen und erleben eine Band, die sie lieben. Das ist die überwältigende, unglaubliche, unzerstörbare Fähigkeit der Musik, sie kann so vieles überwinden. Wir hören Musik, um uns von den Problemen zu befreien, die uns in den sozialen Medien und den Nachrichten eingehämmert werden. Es ist schwierig. Du kannst dich entweder auf diese Negativität einstellen oder das Ganze einfach abschalten. Ich habe mich immer von der Negati-
vität ferngehalten, weil sie keinen Wert besitzt. Negativität ist gefährlich und erzeugt eine Menge schlechter Gefühle, schlechter Schwingungen. Wenn mich jemand persönlich angreift, blende ich das einfach aus, weil es keinen Wert hat. Die positiven Werte und Tugenden im Auge zu behalten, ist die beste Art zu leben.
Bilder oben Andy «Elvis» McGovern
Junger schwuler Rebell Halford: Judas Priest gibt’s schon seit 1969.