Glitzer beim ESC, Schläge auf der Strasse

Hate-Crime-Bericht der LGBTIQ Helpline: Gewalt und Diskriminierung nehmen zu.

Von Christian Gersbacher
 

Während Basel sich kommende Woche auf ein farbenfrohes Fest der queeren Sichtbarkeit vorbereitet – inspiriert durch den ESC-Sieg der nicht-binären Person Nemo – zeigt der aktuelle Hate-Crime-Bericht der LGBTIQ Helpline ein deutlich düstereres Bild: Gewalt und Diskriminierung gegenüber queeren Menschen gehören in der Schweiz weiterhin zum Alltag. 2024 wurden insgesamt 309 entsprechende Vorfälle gemeldet – fast sechs pro Woche.

Veröffentlicht wird der Bericht jährlich im Mai durch die Dachverbände Transgender Network Switzerland (TGNS), die Lesbenorganisation Schweiz (LOS) und Pink Cross. Er basiert auf den Meldungen bei der LGBTIQ Helpline, der nationalen Anlaufstelle für Hassverbrechen sowie Peer-Beratung für queere Personen.

Die Zahlen bleiben auf alarmierendem Niveau: Im Vergleich zu den 305 Meldungen im Vorjahr ist keine Besserung zu erkennen – seit 2020 haben sich die Meldungen sogar verfünffacht. Die Vorfälle reichen von verbaler Gewalt über körperliche Angriffe bis hin zu sexueller Belästigung und Diskriminierung in Beruf, Behördenkontakt oder Gesundheitswesen. Besonders betroffen sind trans Personen – sowohl binäre als auch nicht-binäre.

Frédéric Mader, Co-Präsidium von TGNS, warnt: «Seit Monaten wird in Politik und Medien gegen trans Personen gehetzt. Dieser Diskurs hat reale Konsequenzen – er gefährdet unsere Sicherheit. Die Angriffe haben tiefgreifende psychische Folgen wie Angststörungen und Depressionen.»

Trotz der dramatischen Entwicklung bleibt die Politik bislang weitgehend untätig. Alessandra Widmer, Co-Geschäftsleiterin der LOS, fordert entschlossenes Handeln: «Der Bund muss seiner Verantwortung endlich gerecht werden. Wir brauchen präventive Bildungsarbeit, sensibilisierte Sicherheitskräfte, gezielte Unterstützung für Betroffene und rechtlichen Schutz – insbesondere für trans Personen.»

Auch die finanzielle Lage der Unterstützungsangebote ist kritisch.

Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross, mahnt: «Wir freuen uns über queere Sichtbarkeit am ESC. Aber Sichtbarkeit allein reicht nicht – LGBTIQ-Personen brauchen auch Sicherheit. Der Staat muss unsere Beratungsangebote wie die LGBTIQ Helpline endlich ausreichend finanzieren.»

Hinter der bunten Bühne des ESC bleibt eine harte Realität bestehen – eine, die politisches Handeln dringend erfordert.

Wir hören zu! LGBTIQ Helpline
Von Montag-Freitag, jeweils 19–21 per Telefon und Chat. Jederzeit per E-Mail.
0800 133 133 | www.lgbtiq-helpline.ch | hello@lgbtiq-helpline.ch

Die LGBTIQ Helpline ist die erste Anlaufstelle für alle Anliegen zum Leben als lesbische, schwule, bisexuelle, trans, nicht binäre, intergeschlechtliche oder queere Person. Sie ist eine Peer-to-Peer Beratungsstelle und die Meldestelle für LGBTIQ-feindliche Gewalt. Das Beratungsangebot richtet sich an alle Menschen, welche Fragen und Anliegen zum LGBTIQ-Lebensumfeld haben – egal, welche sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität sie selbst haben.