Zurich Pride 2022: Proud to be back!

Nach zwei Pandemie-Jahren darf Mitte Juni wieder stolz auf dem Kasernenareal gefeiert werden. «trans-Vielfalt leben» ist das diesjährige Motto. Baschi oder Dana International werden die Pride-Bühne rocken.

DISPLAY bringt eine Vorschau und hat mit den Stars, den trans Redner:innen auf dem Helvetiaplatz und der Präsidentin des grössten queeren Anlasses der Schweiz gesprochen.

Text Mark Baer

«Wir alle von der Zurich Pride und die Künstler:innen haben unsichere zwei Jahren hinter uns», sagt die Präsidentin des Schweizer LGBTIQ-Festivals, Mentari Baumann. Lange sei nicht klar gewesen, ob in diesem Jahr wirklich eine Pride durchgeführt werden könne. «Das hat es natürlich grundsätzlich schwierig gemacht, Menschen zu verpflichten.» Zudem musste sich das Pride-Team aufgrund der unsicheren Reisemöglichkeiten mehr als sonst überlegen, ob auch Acts aus anderen Ländern verpflichtet werden können.

Doch das Team des Vereins Zurich Pride Festival hat es geschafft: Am 17. und 18. Juni 2022 werden Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland nach Zürich pilgern und die Vielfalt der Community ins Schaufenster stellen. Mit dem Motto «trans-Vielfalt leben» wird der Fokus zum ersten Mal in der 27-jährigen Geschichte des queeren Anlasses auf die rechtliche Situation und die Herausforderungen von trans Menschen gelegt. 

Reden gegen Diskriminierung

Mia Willener wird am Samstag, 18. Juni um 13 Uhr auf dem Helvetiaplatz im Zürcher Kreis 4 auf die Situation von trans Menschen eingehen. Willener gehört der Mitte-Partei an und setzt sich dafür ein, dass die Anliegen von Minderheiten in der Politik nicht vergessen gehen. Die 38-Jährige ist trans und erlebte bisher selber keine Diskriminierung im Alltag. «Ich suche mir mein Umfeld sehr genau aus, um Ablehnung zu vermeiden», sagt die Gürbetalerin, die an der diesjährigen Pride-Demo neben der Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch oder dem trans Mann Brix Schaumburg eine Rede halten wird. «Ich kenne persönlich jedoch mehrere trans Menschen, die beruflich diskriminiert wurden.» Das habe von Mobbing bis hin zu Entlassungen gereicht. Auch im familiären Umfeld würden trans Personen heute noch immer massive Ablehnung erfahren, führt Willener aus.

 

«Unser Geschlecht – unser Menschenrecht» ist das Thema der Rede von Tessa Ganserer. Die deutsche Bundestagsabgeordnete von «Bündnis 90 / Die Grünen» ist froh, dass die Zurich Pride für die Rechte von trans Menschen auf die Strasse geht. «Auch wenn in der Schweiz seit diesem Jahr ein selbstbestimmter Geschlechtseintrag möglich ist, ist diese Solidarität in der queeren Community wahnsinnig wichtig, weil wir seit einigen Jahren überall auf der Welt beobachten müssen, dass ultraorthodoxe, erzkonservative und rechtspopulistische bis rechtsextreme Kräfte vermehrt gegen die Rechte von trans Menschen hetzen», sagt die Politikerin gegenüber DISPLAY.

Die Ü-40 trans Frau hatte erst Ende 2018 ihr Coming-out und lebt seit damals als die Frau, die sie eigentlich schon immer gewesen sei. In den vergangenen zwei Jahren während der Corona-Pandemie hätten viele CSDs nicht oder nicht in der bekannten Form stattgefunden. «Dadurch fehlten für viele Menschen diese so wichtigen Momente des Empowerments zum Kraft schöpfen für den Alltag sowie Möglichkeiten, auf unsere Belange aufmerksam zu machen.» 

Tessa Ganserer war selber noch nie auf der Zurich Pride und freut sich deshalb «wie eine Schneekönigin» auf ihr erstes Mal.

Das Thema «trans-Vielfalt leben» ist für Deutschlands ersten offiziell geouteten trans Schauspieler und Sänger Brix Schaumburg, den man auf RTL+ oder auch Amazon Prime sehen kann, mehr als nur ein Thema: «Es ist Leben, es ist mein Leben.» Der 32-Jährige, der auf dem Helvetiaplatz ebenfalls eine Rede halten wird, coacht in Kitas, Schulen und Firmen und arbeitet auch an Film-Drehbüchern mit. Als Sensitivity-Leser und -Berater, beispielsweise bei Buchprojekten, wird er an der Zürcher Pride sicher den richtigen Ton finden. Sein Motto lautet: «Die Welt braucht mehr Glitzer und weniger Schubladendenken.» 


Festival: 17. und 18. Juni 2022
Demonstration: 18. Juni 2022
Info: zurichpridefestival.ch


Ein Zeichen nach aussen setzen

Nach den Reden um 14 Uhr zieht dann der Demonstrationszug vom Helvetiaplatz über den Stauffacher, via Bahnhofstrasse über die Sihlbrücke bis zum Kasernenareal. Der Umzug wird etwa drei Stunden dauern. Die Veranstalter rechnen mit 20’000 bis 30’000 Demonstrant:innen. Wie wichtig ist es der Pride-Präsidentin Mentari Baumann, dass möglichst viele Leute an der Demo mitlaufen? Immerhin gibt es ja ganz viele LGBTIQ*-Menschen, die noch nie am Umzug teilgenommen haben, für welche die Pride eben mehr auf dem Festivalgelände und in den Clubs stattfindet. «Alle Teilnehmenden zeigen ihre Art der Vielfalt; ganz gemäss dem Motto», sagt die 28-Jährige. «Je mehr aber teilnehmen, desto diverser und bunter wird die Masse und umso stärker wird das Zeichen nach aussen getragen.» Egal ob im schrillen Outfit oder ganz alltäglich; alle sollten an der Demo mitmarschieren, wie sie es möchten. «Wichtig ist, dass sich alle wohlfühlen.» Einen guten Sonnenschutz und genügend Wasser dabeizuhaben ist ein Tipp, damit der Wohlfühlfaktor auch am Abend noch anhält. 

Schauspieler Brix Schaumburg wird nach der Demo am Samstagabend auf der Hauptbühne auch sein Gesangstalent unter Beweis stellen. So wird er seinen Song «It Will Be Fine» performen. Weiter wird er auch mit «Proud Mary» von Tina Turner Gas geben, «damit alle tanzen – und wenn gefordert, werde ich auch noch ‘Sweet Transvestite’ aus Rocky Horror zum Besten geben.»

Die beiden Moderator:innen Raffa und Max Appenroth werden auf dem Kasernenareal am 18. Juni neben Brix Schaumburg noch andere trans und nonbinäre Acts präsentieren. Am bekanntesten ist sicher Dana International. Im Jahr 1998 gewann die israelische trans Sängerin den Eurovision Song Contest mit dem Titel «Diva». 

Weiter werden auch der italienische Performer Andrea di Giovanni sowie der österreichische Popmusiker und Rapper Mavi Phoenix auf der Bühne stehen.

Max Appenroth ist aktueller Mr Gay Germany und war bisher noch nie an der Zurich Pride. Dass die 35-jährige trans Person den Samstagabend moderieren darf, bedeutet Max sehr viel: «Ich freue mich, dass dem Thema geschlechtliche Vielfalt der Platz gegeben wird, den es braucht.» Viele wüssten nicht, dass ohne den unermüdlichen Kampf von trans Menschen Events wie die Pride in dieser Form nicht stattfinden würden. Darüber möchte Max Appenroth auch in der Moderation etwas aufklären.

Moderationskollegin Raffaela Zollo verfügt über Erfahrung als Moderatorin, «aber vor so einem grossen Publikum aufzutreten, ist für mich eine Premiere», verrät die Schweizer Content Creatorin. Die 29-jährige trans Frau, die inzwischen eine eigene Kosmetikmarke aufgebaut hat, freut sich «auf die Community, die Moderation, das Feiern der Pride und darauf, einfach einen schönen Abend mit allen zu verbringen.»

Bashi in Drag.

Freitag: Drag-Time mit Baschi

Auch am Freitagabend, 17. Juni 2022, sorgt Visual Artist Milky Diamond auf der Pride-Hauptbühne für queere Höhepunkte: «Wir wollen mit dem grossen Drag-Fest die enorme Vielfalt der Schweizer Drag-Szene in all ihren Facetten zeigen.» Zwei Stunden lang werden 20 Drag Acts, bestehend aus Drag Queens, Quings und Kings, auf der Pride Zurich Mainstage das Publikum mit Lipsync, Live-Gesang und Tanz in eine andere Welt eintauchen lassen. Neben Mia Storm, Oh! Beverly oder Chris Crippin wird als Special Guest das Theater Hora auf der Bühne stehen. Die Tanz-, Theater- und Performance-Gruppe wird zusammen mit Gossipa auftreten.

Der andere Special Guest am Freitagabend wird Baschi sein, der für Begeisterungsstürme sorgen wird. Gegenüber DISPLAY sagt er, dass er seinen Song «Live Your Life» singen wird: «Ich freue mich wahnsinnig auf den Event und meine Performance.» Im Musikvideo zu «Live Your Life» sieht man den Schweizer Musiker als glamouröse Dragqueen Baschirella: «Den Namen hat mir Milky gegeben», sagt der 35-Jährige lachend. Das Feedback auf sein Umstyling zur Drag sei sehr positiv gewesen. «Leute sind auf mich zugekommen und haben meinen Mut gelobt, so etwas zu machen. Ich habe auch Komplimente aus der Community bekommen, was mich sehr gefreut hat.» Jeder Mensch solle doch das machen, wozu er Lust habe. Auch für Baschi selber gebe es keine Grenzen.   


Schlager und Partys

Auf dem Festivalgelände bei der Kaserne wird es auch wieder ein Schlagerzelt und die Community-Bühne geben. Die offizielle Zurich Pride Opening Party findet am Freitag, 17. Juni im Provitreff am Sihlquai 240 statt. Die offiziellen Festival Partys am Samstag werden im Plaza (mit Pop und House) und im Hive (mit elektronischer Musik) über die Bühne gehen. Weitere Events wie die Angels White Party.