Ralf König

Der hormonische Mann

Die Lust flaut ab, die Müdigkeit nimmt zu, die Muckis werden weniger: Das kommt dir bekannt vor? Dann bist du in der Andropause – in den Wechsel­jahren! Wie Mann dieser Lebensphase Herr werden kann.

«In manchen Fällen», liest Konrad seinem auf dem Sofa liegenden Freund Paul vor, «geht mit der Andropause die Verringerung des Hodenvolumens einher.» Diese Info bringt Paul so auf die Palme, dass er auffährt und loslegt: «Da schrumpfen irgendeinem Joghurtbauern im Kaukasus die Hoden und schon droht kollektiver Hodenschwund!»

Eine Szene aus dem Comic «Herbst in der Hose», in dem Ralf König die Wechseljahre des Mannes thematisiert. An der Reaktion von Paul zeigt sich eines der möglichen Anzeichen für die Andropause, die Wechseljahre der Männer, die frühestens ab 35 einsetzen (siehe Text in Rot): Das Nervenkostüm ist dünn, Männer sind tendenziell nervös und gereizt. Auch mit der Erektion klappt es nicht immer wie gewünscht, die Lust auf Sex sinkt. Mann schwitzt mehr. Die Muskulatur und die Kräfte nehmen ab, die Müdigkeit nimmt ebenso zu, wie der Bauchspeck wächst. Knochen und Gelenke schmerzen. Und Männer hängen dann vermehrt trüben Gedanken nach, die sie nicht selten am Schlafen hindern.


JAHRE DES WECHSELS

Als Andropause bezeichnet man den Lebensabschnitt des Mannes zwischen frühestens 35 (eher: 45) und 65, der von nachlassender Hormonproduktion gekennzeichnet ist. Ab etwa Mitte 30 nimmt das männliche Sexualhormon Testosteron pro Jahr um rund ein Prozent ab. Am bekanntesten sind die Wechseljahre des Mannes unter dem Begriff Andro­pause. Sie haben weitere Namen wie Klimakterium virile, Aging Male Syndrom, Testosteron-Mangel-Syndrom TMS. Naturheilmittel wie Kürbiskerne oder die Brennnessel können die Symptome (siehe Haupttext) lindern: Als Tee getrunken, beugt sie der Vergrösserung der Prostata vor und hält den Stoffwechsel aktiv. Bei Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen wirkt Johanniskraut lindernd. Zu erholsamer Nachtruhe können Melisse, Hopfen und Baldrian beitragen.


Diese Symptome machen Männern bewusst, dass der Zahn der Zeit auch an ihnen nagt. «Ein Luxusproblem, über das Altern zu jammern», ist sich Ralf König bewusst. «Trotzdem: Das Thema wird unter Männern weggehüstelt. Ich wollte thematisieren, wie viel Angst das macht. Ganz ohne Trostsprüche.»

Illustrationen Ralf König 

TESTOSTERONBOLZEN

Unsere Wechseljahre haben mit den Hormonen zu tun: Der Körper des Mannes produziert weniger Testosteron. Dieses Hormon werde oft falsch assoziiert, sagt Christine Rosa Thanner vom Zentrum für Vitalität und Hormon-Power. «Oft liest oder hört man im abwertenden Sinn von testosterongesteuerten Männern, von Testosteronbolzen. Damit ist meist ein Mann gemeint, der zum Beispiel ausrastet, sich unfair oder aggressiv verhält.» 

Ursache sei jedoch nicht das Testosteron – sondern fast immer Adrenalin sowie ein Mangel an Progesteron, dem Gegenhormon. «Testosteron ist meist nur als Libido- oder Muskelhormon bekannt», erklärt Christine Rosa Thanner. «Es hat jedoch – sehr viel wichtigere – weitere Funktionen: zum Beispiel für Prostata, Herz, Gehirn. Auch steht es in engem Zusammenhang mit der Psyche, mit Mut, Selbstbewusstsein, Energie, Durchhaltevermögen, guter Stimmung und Fairness.»

Die Veränderungen in der Andropause betreffen nicht allein das Testosteron, wie Christine Rosa Thanner ergänzt. So variiere zum Beispiel auch das Hormon Progesteron oder das Cortisol, das in engem Zusammenhang mit der Regulierung von Stress steht (siehe Text in Blau). «Die Symptome und Beschwerden der Andropause hängen meist mit den körpereigenen Hormonen zusammen. Sie steuern, beeinflussen alles: Zellen, Organe, körperliche Funktionen, Psyche, Gehirnfunktionen – auch bei Männern.»


HORMON-LEXIKON

Testosteron (siehe Haupttext) ist nur eines der wichtigen körpereigenen Hormone für Männer. Zentral sind auch:

  • Progesteron: für Schlaf, Gelassenheit, Prostata, Gehirn, Energie; gegen Kopfschmerzen und Depressionen.
  • DHEA: fürs Immunsystem und allgemein die Energie; gegen Krank­heiten, Burn-out, Allergien.
  • Cortisol: fürs Immunsystem, Schlaf, Libido, Energie; gegen Stress, Entzündungen und Kopfschmerzen.
  • Estriol: für Gelenkknorpel, Schleim­häute, Prostata.
  • Estradiol: für Libido, Prostata, Schlaf; gegen Kopfschmerzen, Haut- und Haarprobleme.

Quelle: hormon-power.ch;
info@hormon-power.ch; 044 – 994 57 27


LIFESTYLE ANPASSEN

Um die Symptome der männlichen Wechseljahre zu lindern, reicht es meist, den Lebensstil anzupassen: sich gesund ernähren, nicht oder zurückhaltend rauchen, sich beim Alkohol mässigen. Und ein Leben führen, in dem man nicht dauernd unter Druck steht und sich Zeiten des Erholens gönnt. 

Einige Pflanzen können die Symptome der Wechseljahrbeschwerden abschwächen (siehe rote Box oben). Ergänzend dazu hilft Bewegung: Sie tut nicht nur dem Körper gut und lüftet den Kopf – sondern trägt dazu bei, den Hormonhaushalt zu harmonisieren. Christine Rosa Thanner: «Angesagt ist jene Bewegungsform, die zum Mann passt: zu seinen Vorlieben, seiner individuellen Situation und seinen Hormonwerten. Das können auch Kraftübungen mit dem eigenen Körpergewicht sein oder Übungen im Wald.» 

HORMONE ZUFÜHREN?

Die Versuchung ist gross, sich Testosteron zuzuführen – in der Hoffnung, den mühsamen Beschwerden, welche die Wechseljahre mit sich bringen, zu entkommen. Zumal man ab und zu hört, dass die Lust dann wieder kommt, die Muskeln anschwellen und sich die Müdigkeit verabschiedet. 

Doch dies ist nicht ganz harmlos. «Eine Hormonbehandlung mit Testosteron», betont Sandra Fatio, Leitende Ärztin Endokrinologie am Spitalzentrum Biel, «ist nur bei einer Erkrankung der Hypophyse im Gehirn oder der Hoden angezeigt. Und nur dann, wenn der Hormongehalt in Bezug aufs Alter deutlich zu niedrig ist.» Um sicher zu sein, seien mehrere Analysen nötig. Und: Solche Hormonersatz-Therapien können zu Brustschmerzen führen und erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Prostatakrebs. 

Gute Erfahrungen

Nichts von solchen Nebenwirkungen hat Ludwig Lingg zu spüren bekommen – obwohl er über ein paar Jahre phasenweise Hormone zu sich genommen hat, darunter auch Testosteron und Progesteron. «Bioidentische Hormone, also Hormone, die mit jenen des Körpers identisch sind», betont er. «Künstliche Hormone kommen nicht infrage.» 

Ludwig Lingg hatte Schmerzen in der Prostata, litt an Migräne-Attacken und erlitt einen Hörsturz. Bei einem Hormon-Coaching wurde sein Speichel untersucht; so konnten seine Hormonwerte ermittelt werden. Gemäss dieser Analyse erhielt er eine hormonhaltige Salbe, die er sich in die Armbeugen einrieb. «Nur solange wie nötig. Das wurde regelmässig überprüft, um eine Überdosierung zu verhindern.» 

Mit den Hormonen allein war es jedoch nicht getan: Lingg passte seine Ernährung den Empfehlungen an und baute regelmässige Bewegung sowie Entspannung in seinen Alltag ein. 

Diese ganzheitliche, natürliche und sorgsam begleitete Behandlung sei für ihn der stimmige Weg gewesen. «Es geht mir wieder bestens – dafür bin ich so was von dankbar!»  ||