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Abschied nehmen fällt mir schwer

Hallo Tim | Vor einem Jahr trennte sich mein langjähriger Freund von mir. Noch immer schmerzt mich dies jeden Tag, obwohl ich erkenne, dass die Trennung richtig für uns beide war. Doch wie kann ich bloss innerlich von ihm wegkommen? Pierre (45)

Hallo Pierre
Erleiden wir den Verlust eines uns nahestehenden Menschen durch eine Trennung oder gar durch den Tod, beginnt mit der Trauer ein schmerzhafter Prozess. Doch dieser führt uns in unsere Lebendigkeit, wenn wir ihn zulassen. Trauern besteht aus Phasen. Und wir tun gut daran, alle darin auftauchenden Gefühle ernst zu nehmen, sie also nicht etwa als störend abzutun und zu verdrängen. Sonst kann es geschehen, dass wir erkranken, etwa depressiv werden oder psychosomatische Schmerzen entwickeln.

Trauer, Ärger und Wut

Dabei sollte man Trauer und Depression unterscheiden. Trauer ist ein lebendiger Prozess unserer Seele, der uns durch Gefühle führt, die uns mit dem verlorenen Menschen verbanden. Dies mögen nicht nur Traurigkeit und Sehnsucht sein, sondern auch Ärger und Wut. Eine Depression kennzeichnet sich hingegen durch ein Hängenbleiben an Wunschvorstellungen aus, die wir dieser Person zuschreiben. Dabei begegnen wir aber nur Schmerz, Leere und Angst. Unsere lebendigen Gefühle sind blockiert.

«Trauer ist ein lebendiger Prozess unserer Seele, der uns durch unsere Gefühle führt, die uns mit dem verlorengegangenen Menschen verbanden»

Kopfarbeit allein, etwa das rationale Erkennen, dass die Trennung folgerichtig war, hilft wenig, wirklich Abschied zu nehmen und uns dem Leben zu öffnen. Die Ratio ist ein Teil, der uns Menschen auszeichnet. Aber sie ist eben höchstens die «halbe Miete».
Um von deinem Ex auch innerlich loszukommen, braucht deine Seele Impulse. Rituale können sie uns spenden. So schlage ich dir ein sehr bewährtes Ritual des Abschiednehmens vor.

Abschied mit Feuer

Nimm etwas Materielles zur Hand, das dich mit deinem Verflossenen verbindet. Dies kann ein Foto sein, ein Plüschtier oder sonst etwas. Ganz besonders geeignet wäre auch eine Zeichnung, die du hierfür anfertigst und die deine Sehnsucht, deine Ängste und deinen Schmerz ihm gegenüber symbolisiert.Damit gehst du an einen Fluss, am besten zu einer Tageszeit, zu der du möglich ungestört bleibst. Meditiere mit deinem Gegenstand. Heisse alles willkommen, das dabei aufkommt.
Sodann verbrennst du deinen Gegenstand und fängst die Asche mit einem feuerfesten Gefäss auf. Feuer beinhaltet die Kraft, Materie zu verwandeln. Und genau das ist es, was nottut: Wandel.
Schliesslich übergibst du die Asche dem Fluss mit Worten wie beispielsweise: «Ich übergebe dich dem Fluss des Lebens und komme selbst auch in den Fluss meines Lebens.» Oder mit Hermann Hesse: «Nun denn, mein Herz, nimm Abschied und gesunde!».
Lass deine Gefühle fliessen. Und schau während des Trauerprozesses gut zu deinem Körper. Denn erst wenn Körper, Geist und Seele zusammenfinden, fühlen wir, was Lebendigkeit bedeutet.

Herzlich, Tim

Tim-K-Wiesendanger

Tim Wiesendanger steht dir für Fragen gerne zur Verfügung.
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Hauptbild: Adobe/Antonioguillem